Schweigemärsche Zehntausende demonstrieren in Serbien gegen Gewalt
Mit Schweigemärschen haben in Belgrad und Novi Sad Tausende Menschen an die Opfer von zwei Massakern gedacht. Ihr Protest richtete sich auch gegen Präsident Vucic. Der wittert eine politische Kampagne.
Nach zwei Schusswaffenangriffen mit 17 Toten in der vergangenen Woche haben in Serbien Zehntausende Menschen gegen Gewalt demonstriert. Mit Schweigemärschen in der Hauptstadt Belgrad und Novi Sad im Norden gedachten sie den Opfern der Massentötungen. Zu dem Protest hatten mehrere Oppositionsparteien aus dem linken sowie dem rechten Lager aufgerufen.
Die Demonstranten forderten den Rücktritt hochrangiger Politiker, darunter der Innenminister und der Geheimdienstchef, und den Entzug der Sendelizenzen von staatlich kontrollierten Medien, die Gewalt Vorschub leisteten und verurteilte Kriegsverbrecher in ihren Sendungen zu Wort kommen ließen. In Belgrad besetzten Teilnehmer eine Autobahn. In Novi Sad hielten die Teilnehmer ein Transparent mit der Aufschrift "Alles muss aufhören" und warfen Blumen in die Donau, um der Getöteten zu gedenken.
Vucic bezeichnete Organisatoren als "Aasgeier"
Nach dem offiziellen Ende der Demonstration in Belgrad skandierten einige der Demonstranten Slogans gegen den zunehmend autokratischen Präsidenten Aleksandar Vucic. Sie forderten seinen Rücktritt, als sie am Regierungssitz vorbeizogen. Der wies die Proteste in einem Interview mit dem regierungsfreundlichen Fernsehsender Happy als "Schande" zurück.
Er beschuldigte die Opposition, die Trauer der Menschen für ihre politischen Ziele zu missbrauchen und zur Gewalt anzustiften. "Das ist reine Politik", sagte Vucic und bezeichnete die Organisatoren als "Aasgeier". Vertreter seiner Serbischen Fortschrittspartei verurteilten die Proteste als "Politisierung" der Bluttaten, deren Ziel es sei, Vucic anzugreifen.
Bildungsminister reichte seinen Rücktritt ein
Binnen 48 Stunden hatten in der vergangenen Woche zwei tödliche Angriffe das Land auf dem Balkan erschüttert. Beim ersten der beiden Schusswaffenangriffe hatte ein Schüler in einer Belgrader Schule mit einer Waffe seines Vaters acht Kinder und einen Wachmann erschossen. Weniger als 48 Stunden später tötete ein 21-Jähriger in mehreren Dörfern nahe Belgrad acht Menschen.
Bildungsminister Branko Ruzic trat daraufhin am Sonntag zurück. Präsident Vucic hatte nach den Attacken eine groß angelegte "Entwaffnungskampagne" angekündigt. Die Behörden gingen zudem verstärkt gegen illegalen Waffenbesitz vor, aber die Opposition kritisierte diese Maßnahme als zu spät und nicht ausreichend.
Nach Regierungsangaben sind in dem 6,8-Millionen-Einwohner-Land mehr als 760.000 Feuerwaffen registriert. Dem Rechercheprojekt Small Arms Survey (SAS) zufolge besitzen 39 Prozent der Bevölkerung eine Waffe - in keinem anderen europäischen Land ist der Anteil so hoch.