Illegale Migration Das lukrative Geschäft mit der Flucht nach Europa
Unzählige Menschen aus Afrika oder dem Vorderen Orient zahlen Schleppern Tausende Euro, um nach Europa zu kommen. Das Schleusergeschäft ist sehr lukrativ - und es ist schwer, an die Hintermänner heranzukommen.
Die neun mutmaßlichen Schleuser, die in Griechenland nach dem schweren Schiffsunglück festgenommen wurden, müssen heute vor Gericht erscheinen, nachdem eine Untersuchungsrichterin am Montag einem Antrag stattgegeben hatte, die Anhörung um 24 Stunden aufzuschieben.
Auch in Pakistan wurden inzwischen Menschen festgenommen, die im Zusammenhang mit dem Schiffsunglück stehen sollen. Doch an die wirklichen Hintermänner heranzukommen, ist schwer.
Überlebender Syrer schildert Ereignisse auf dem Boot
Der Syrer Hasan hat das Bootsunglück in Griechenland überlebt. Was er in den Tagen auf dem Boot erlebt hat, kann man aus seiner Zeugenaussage erahnen. Sie liegt im Prozess gegen die neun mutmaßlichen Schleuser vor. Eine griechische Zeitung hat die Aussage abgedruckt.
Darin beschreibt er unter anderem, dass sich nur die mutmaßlichen Schleuser frei auf dem Schiff bewegen konnten, während alle anderen Passagiere auf dem Boden sitzen mussten. Essen und Wasser seien nach einigen Tagen ausgegangen. Im Inneren des Schiffes habe er nur schlecht atmen können. Er habe einem der Männer zehn Euro bezahlt, um an Deck zu dürfen - das hat ihm vielleicht das Leben gerettet.
Ein mutmaßlicher Schleuser geständig
Einem Mann, der vermutlich seinen Verwandten bei dem Unglück verloren hat, sei erzählt worden, dass sein Angehöriger bewusstlos geworden sei - fünf Minuten bevor das Schiff gesunken ist. "Sie haben versucht, ihn wach zu bekommen. Aber dann ist das Schiff gesunken. Die Glücklichen, die überlebt haben oder deren Körper zumindest gefunden wurden, waren an Deck. Und alle unter Deck haben es nicht raus geschafft und sind mit gesunken."
Auch die neun mutmaßlichen Schleuser, die in Griechenland festgenommen wurden, waren unter den Geretteten. Andere Überlebende haben sie identifiziert. Einer der Männer hat bereits zugegeben, Geld dafür erhalten zu haben, während der Überfahrt Arbeiten am Schiff vorzunehmen. Die anderen weisen alle Vorwürfe zurück. Sie haben inzwischen Anwälte.
Schlepper spricht von "guter Investition"
Der Syrer Hasan gab zu Protokoll, dass sein Vater umgerechnet 4100 Euro für die Überfahrt seines Sohnes nach Italien bezahlt habe. Andere sagen, sie hätten bis zu 6000 Euro für einen Platz im Boot bezahlt.
Das Schleppergeschäft ist äußerst lukrativ und vor allem hoch professionell aufgebaut: Ein Schlepper aus Tunesien, den die italienische Zeitung "La Repubblica" getroffen hat, nennt sein Business "ein illegales Reisebüro". Er spricht davon wie von einem ganz normalen Unternehmen, redet von Kunden, von Angebot und Nachfrage.
Wenn ihm das Geld für neue Schiffe nicht reiche, würden andere Leute in sein Business investieren: "Sie leihen mir 100.000 Dinar und bekommen dann 120.000 von mir zurück, wenn die Überfahrt vorbei ist. Das ist doch eine gute Investition", sagte er der Zeitung. Um das illegale Geschäft zu decken, habe er außerdem noch einen legalen Betrieb in einer anderen Branche.
Europol soll helfen
Die griechischen Behörden gehen davon aus, dass die neun festgenommenen Männer Teil eines großen Schleuserrings sind. Der soll in den letzten Monaten bis zu 18 solcher Fahrten von Libyen nach Italien organisiert haben.
Um die Hintermänner zu erwischen, haben die griechischen Behörden nun die europäische Polizeibehörde Europol um Mithilfe gebeten. Es wird vermutet, dass sie vor allem in Italien und Ägypten sitzen. Auch Pakistan hat inzwischen mehrere Menschen in diesem Zusammenhang festgenommen.
Alternativen zu Schleppern fehlen
Für Christopher Hein, Professor für Asyl und Migration an der Uni Luiss in Rom, ist klar, dass die einzige Möglichkeit, weitere Bootsunglücke auf dem Mittelmeer zu verhindern und die Schlepper zu stoppen, eine andere Migrationspolitik der EU ist. Die Menschen bräuchten legale Möglichkeiten, nach Europa zu kommen.
Sie dürften sich nicht gezwungen sehen, sich in die Hände von Schleppern zu begeben und Tausende Euro zu bezahlen, um aus Afrika oder vom Vorderen Orient nach Europa zu kommen. "Es muss eine Möglichkeit geben in einer Größenordnung, die wirklich für die Menschen eine Alternative darstellt. Und die gibt es bisher leider nicht."