Lage in der Ostukraine Gespanntes Warten in Kiew
Seit Tagen herrscht Unklarheit darüber, ob sich russische Truppen schon in der Ostukraine aufhalten. Oder an welcher Kontaktlinie sie stoppen würden. Der ukrainische Präsident Selenskyj bewahrt Ruhe.
Erstens habe er nicht gesagt, dass sich die russischen Truppen sofort dorthin begeben würden. Zweitens ist es unmöglich, eine konkrete Entwicklung von möglichen Aktionen vorherzusagen. Alles hängt von einer konkreten Situation ab, die vor Ort entsteht.
So antwortete der russische Präsident Wladimir Putin auf die Frage eines Journalisten. Mit "vor Ort" und "dorthin" dürfte er die Gebiete der selbsternannten Volkrepubliken Donezk und Luhansk meinen, die er am späten Montagabend mit seiner Unterschrift offiziell anerkannt hat. Seitdem herrscht Unklarheit darüber, ob sich offizielle russische Truppen bereits auf dem völkerrechtlich nach wie vor zur Ukraine gehörenden Territorium befinden.
Unklarheit über Truppenbewegung im Donbass
Montagnacht noch ordnete der Kreml die Entsendung von Truppen an. Unmittelbar tauchten in den sozialen Medien schwer überprüfbare Augenzeugenberichte und Bilder auf, die belegen sollten, dass sich russisches Militär bereits im Donbass befinde.
Dienstagmorgen wiederum hieß es, Russland habe noch überhaupt keine Truppen losgeschickt. Nur um dann am Nachmittag endgültig grünes Licht für einen militärischen Auslandseinsatz zu erhalten - nämlich vom Föderationsrat, dem Oberhaus des russischen Parlaments. Die Vorsitzende des Föderationsrates, Walentina Matwijenko, erklärte:
Indem wir die Genehmigung für den Einsatz der Streitkräfte erteilen, gehen wir davon aus, dass es friedensstiftende Truppen sein werden - zur Bewahrung des Friedens und der Stabilität auf dem Territorium der Donezker und Luhansker Volksrepubliken.
In den Tagen zuvor hatte das russische Staatsfernsehen unentwegt über die Lage im Donbass berichtet - allem voran über einen vermeintlich geplanten Einmarsch des ukrainischen Militärs. Ein Schreckensszenario, das letztlich auch der russischen Führung mit als Argument diente, die Separatistengebiete anzuerkennen und ihnen im Rahmen gesonderter Abkommen auch militärischen Beistand zu leisten.
Die Separatisten kontrollieren nur den in der Karte schraffiert dargestellten Teil der ukrainischen Verwaltungsbezirke Donezk und Luhansk.
Ukraine will nicht militärisch reagieren
Die ukrainische Seite dementiert nach wie vor, die besetzten Gebiete mit Gewalt zurückerobern zu wollen. Auch in seiner in der Nacht veröffentlichten Videoansprache betonte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, dass man weiter an einer diplomatischen Lösung festhalte:
Für uns persönlich ist das Beenden des Kriegs alternativlos - nicht die Gesprächsplattform oder das Format. Ich bin bereit, sowohl bilateral, als auch unter Beteiligung anderer Staatsoberhäupter zu verhandeln. Aber ich möchte betonen, dass für mich die Aufrechterhaltung der Souveränität und der Integrität der Ukraine am wichtigsten sind.
Doch auch er habe militärische Vorkehrungen getroffen, wenngleich er zur Zeit noch keine Notwendigkeit für eine Generalmobilmachung sehe, so Selenskyj.
Wir müssen die ukrainische Armee und andere Militärformationen verstärken. Ich, als Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine habe ein Dekret über die Einberufung von Reservisten in besonderen Zeiten erlassen.
Nach wie vor ungeklärt ist, in welchen Grenzen Russland die selbsternannten Volksrepubliken anerkannt hat - und damit auch die Frage, ob mögliche zur Unterstützung entsandte russische Truppen an der bis dato geltenden Kontaktlinie halt machen würden - oder eben nicht.