Russland und die Sanktionen Dann eben Karamell-Popcorn
Russland arrangiert sich auf seine Art mit den Wirtschaftssanktionen. Importe werden über Drittstaaten organisiert, und im TV trommeln Prominente für russische Produkte. Ein Gesicht der Kampagne ist eine Ex-Spionin.
Was vorgefallen sei, will Anton Borissow, Moderator des staatlichen Fernsehkanals Rossija 24, von seiner Kollegin Maria Butina wissen, die sich mit geschlossenen Augen langsam die Schläfen massiert. "Weißt Du", antwortet sie, "all diese feindseligen Sanktionen bereiten mir Kopfschmerzen. Und es tut mir auch im Herzen weh."
Dagegen habe er was, erwidert Borissow. Eine Tablette, komplett "made in Russia", denn, so Borissow, "auch die Rohstoffe sind von uns".
Notfalls geht es auch so
So beginnt die erste Folge der jüngst neu aufgelegten Doku-Serie "Sdelano w Rossii" - "Hergestellt in Russland". In den folgenden knapp 30 Minuten führen Butina und Borissow vor, was die heimische Medizintechnik- und Pharmaindustrie zu bieten hat. Mit der deutlichen Botschaft, dass man notfalls auch ohne alle anderen klarkommen werde - auch dank einiger heimischer Produzenten, die sich unabhängig von Importen gemacht haben.
Im Gespräch mit einem Pharma-Unternehmer stellt die Moderatorin fest, aktuell werde der Löwenanteil der Substanzen aus Indien, China und Europa importiert, um dann rhetorisch zu fragen: "Und obwohl es in Russland jetzt nicht an Medikamenten mangelt und alle Lieferungen fortgesetzt werden - wo ist die Garantie, dass dies immer der Fall sein wird?"
Die Probleme mit den Lieferketten
Zwar beträfen die Sanktionen, die zahlreiche Länder aufgrund des russischen Einmarsches in die Ukraine gegen Russland verhängt haben, nicht die Arzneimittel, dafür aber die Lieferketten, erklärt der auf die Pharma-Industrie spezialisierte Wirtschaftsexperte Pawel Lissowskij im russischen Fernsehen.
Du darfst Medizin importieren, aber wie machst du das? Der Güterverkehr mit Lkw mit russischen Kennzeichen ist in der EU verboten. Und Belarus hat ein Transportverbot für Fahrzeuge mit europäischen Kennzeichen eingeführt. Demnach kann über einen Transport, beispielsweise von Warschau nach Moskau, das Medikament nicht mehr geliefert werden. Ja, sie können herumfahren, ja, sie können immer noch irgendwie über Finnland fahren. Aber Sie verstehen, dass dies die gesamte Lieferkette dramatisch verkompliziert.
Damit verbunden sind auch Kosten, die nicht jeder zu zahlen bereit ist, weder auf Seiten der Produzenten noch auf Seiten der russischen Abnehmer. Wenn also bestimmte Medikamente zukünftig aus Russland verschwinden würden, erklärt Wirtschaftsexperte Lisowkij, seien auch hier nicht die direkten Sanktionen schuld, "sondern ein einfaches, banales, kapitalistisches Modell: Niemand will mit Verlust verkaufen."
Auch wenn die meisten Geschäfte westlicher Unternehmen in Russland geschlossen sind - es gibt dennoch Wege, an Waren oder Ersatzteile zu kommen.
Urheberrecht wird nachrangig
Dort aber, wo Mangel entstehen könnte, setzt Russland auf kreative Lösungen. Anfang Mai genehmigte das Ministerium für Industrie und Handel eine Liste von Waren, für die Parallelimporte zugelassen werden, also die Einfuhr über Drittstaaten - und zwar ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers. Im konkreten Fall: der Firmen, die sich inzwischen aus Russland zurückgezogen haben.
Autoteile, Küchengeräte und Waschmittel bekannter westlicher Marken werden somit auch in Zukunft noch in Russland zu bekommen sein - bleibt nur die Frage: zu welchem Preis und ob die russischen Verbraucher diesen noch werden zahlen können.
Botschafterin mit Vergangenheit
Auch deswegen gilt es, heimische Produkte nun besonders hervorzuheben. Und dabei hilft Maria Butina, nicht nur als Moderatorin der Sendung "Hergestellt in Russland".
Die 34-Jährige, die landesweit bekannt wurde, weil sie 2018 in den USA wegen illegaler Agententätigkeit in Haft saß, bevor sie abgeschoben wurde, ist heute so etwas wie die nationale Markenbotschafterin. Ob sie auf Social Media das neue russische Smartphone als Alternative zu Apple präsentiert oder eine Mode-Kollektion mit aufgedrucktem Putin-Spruch - für Butina ist immer klar: "Made in Russia" ist besser als alles andere. Das gilt selbst im Kino. Nicht nur für die Filme:
"Das ist Karamell-Popcorn", erläutert Butina - "ich liebe es über alles. Und wissen Sie, dass man das in amerikanischen Kinos gar nicht kriegt? Nur gesalzenes. In einer labbrigen Tüte."