UN-Menschenrechtsrat Russlands Zivilgesellschaft "faktisch ausgeschaltet"
Eine Zivilgesellschaft gibt es in Russland faktisch nicht mehr, die Unterdrückung im Land ist eskaliert. Zu dem Schluss kommt der neue Russlandbericht, der dem UN-Menschenrechtsrat vorgelegt wurde.
Was schon schlecht war, ist noch schlechter geworden: Mit der Aggression nach außen - Russlands Angriff auf die Ukraine - ist die Unterdrückung im Innern eskaliert. Es war der letzte Tagesordnungspunkt gestern und der erste an diesem Freitag: Die UN-Sonderberichterstatterin Mariana Katzarova informierte den UN-Menschenrechtsrat über die Lage in Russland - und spricht von einem "totalen Crackdown" der russischen Zivilgesellschaft.
Schon seit zwei Jahrzehnten habe sich die Situation kontinuierlich verschlechtert, aber seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sei die Entwicklung dramatisch. Man könne nicht mehr von "Einschränkung der Zivilgesellschaft" sprechen: Der zivilgesellschaftliche Raum sei von den Behörden "faktisch ausgeschaltet" worden. "Es gibt keine unabhängigen Medien mehr, zivilgesellschaftliche Organisationen wurden dicht gemacht."
20.000 festgenommene Anti-Kriegs-Demonstranten
Katzarova verwies vor dem Menschenrechtsrat auch auf den aktuellen Prozess in Moskau gegen Oleg Orlow, einem Vorstandsmitglied der Menschenrechtsorganisation Memorial. Ihm drohen 15 Jahre Haft.
Das Ausmaß der staatlichen Repression gegen alle, die sich kritisch äußern, sei beispiellos in der jüngeren Geschichte Russlands: Mehr als 20.000 Menschen wurden festgenommen und angeklagt, weil sie an friedlichen Anti-Kriegs-Demonstrationen teilgenommen haben.
Russland erkennt Mandat nicht an
Die Bulgarin Mariana Katzarova war im vergangenen April zur Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in Russland ernannt worden. Moskau erkennt dieses Mandat nicht an. Im Menschenrechtsrat verzichteten die Vertreter Russlands auf ihr Recht, zu dem Bericht Stellung zu nehmen.
Allerdings äußerten sich andere Staaten im Sinne Russlands. Der Vertreter Chinas kritisierte den Bericht als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes und sprach von einer "Politisierung" der Menschenrechte. Simbabwe meinte, ohne Zustimmung des betroffenen Landes verfehle das Mandat der Sonderberichterstatterin sein Ziel.
Auf derartige Einwände hat Katzarova eine klare Antwort: "Mein Mandat ist eine Stimme für die Menschen in Russland. Deshalb ist es wichtig, weiterzumachen, besonders in diesen dunklen Zeiten für die Menschenrechte."
Mandat soll im Oktober verlängert werden
Nur 17 der 47 Mitgliedsländer des Menschenrechtsrates hatten vergangenes Jahr für die Einsetzung der Sonderberichterstatterin gestimmt. 24 Länder enthielten sich der Stimme. Anfang Oktober entscheidet der Menschenrechtsrat nun, ob das Mandat der Sonderberichterstatterin verlängert wird.
Katharina Stasch, Deutschlands UN-Botschafterin in Genf, meint dazu: "Das wird nicht einfach. Allerdings hat die Staatengemeinschaft schon mehrfach die Menschenrechtsverletzungen von Russland ganz klar verurteilt." Es sei schwer vorstellbar, "dass die Mehrheit im Menschenrechtsrat den Unterdrückten in Russland, den Opfern der Menschenrechtsverletzungen eine Stimme verweigern wird".
Moskau will Mitglied des Menschenrechtsrats werden
Schwer vorstellbar ist auch, dass Russland selbst wieder Mitglied im Menschenrechtsrat wird. Genau das aber hat Moskau vor: Die russische Regierung kandidiert in diesem Herbst für einen Sitz im höchsten Menschenrechtsgremium der Vereinten Nationen.
Laut Botschafterin Stasch muss Russland mit scharfem Gegenwind rechnen: "Ein Land, ein Russland, welches die Menschenrechte systematisch und in eklatanter Weise verletzt, hat im Menschenrechtsrat nichts zu suchen." Das stehe so auch in den Gründungsdokumenten des Menschenrechtsrats. "Der Bericht der Sonderberichterstatterin hat jetzt nochmal ganz klar aufgezeigt, in welchem Ausmaß Russland die Menschenrechte verletzt."
Deswegen, so die deutsche Botschafterin, würden sie alles dafür tun, dass Russland nicht noch einmal in den Menschenrechtsrat gewählt wird.