Die Ärztin Nadjeschda Bujanowa während des Prozesses gegen sie in Moskau (Russland)

Urteil in Russland Keine Beweise - doch eine lange Haftstrafe

Stand: 12.11.2024 18:43 Uhr

Kritik an Russlands Krieg gegen die Ukraine wird von der russischen Justiz hart bestraft. Nun muss eine Ärztin für Jahre in Haft, weil sie der Ukraine angeblich ein Recht auf Selbstverteidigung zugestand. Beweise dafür gibt es nicht.

Ein Gericht in Moskau hat eine Ärztin wegen angeblicher Diffamierung der russischen Armee zu fünfeinhalb Jahren Freiheitsentzug verurteilt.

Die Kinderärztin Nadjeschda Bujanowa soll sich negativ über Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine geäußert haben. Der Fall erzeugte in Russland großes mediales Interesse, nachdem sich die Witwe eines gefallenen russischen Soldaten im Netz über die Ärztin beschwert und eine Strafverfolgung gefordert hatte.

Das Verfahren gegen Bujanowa war im Februar 2024 eröffnet worden. Die Witwe gab an, sie habe bei einer Untersuchung ihres Sohnes gegenüber der Ärztin erwähnt, dieser stehe nach dem Tod seines Vaters im Krieg unter Stress. Daraufhin habe die Ärztin ihr geantwortet, der Soldat sei ein "legitimes Ziel" der ukrainischen Streitkräfte gewesen.

Ein Putin-Freund kümmert sich um den Fall

Bujanowa hat die ihr zur Last gelegte Äußerung stets bestritten. Trotzdem leitete das zentrale Ermittlungskomitee in Russland ein Verfahren ein. Der Chef des Ermittlungskomitees, Alexander Bastrykin - ein Studienkommilitone von Kremlchef Wladimir Putin -, nahm den Fall unter seine persönliche Obhut.

Die Ärztin wurde entlassen, ihre Wohnung bei einer Durchsuchung vollständig verwüstet, selbst die Tapeten rissen die Beamten von den Wänden. Später wurde Bujanowa in Untersuchungshaft genommen.

In dem Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft sogar sechs Jahre Lagerhaft gefordert. Zeugen für die Unterhaltung zwischen der Ärztin und der Mutter gibt es indes nicht - darauf wies Bujanowas Anwalt während des Prozesses hin. Auch sonst seine in den Akten keine Beweise enthalten gewesen.

Kriegskritik wird hart bestraft

Russland geht scharf gegen Kriegskritiker und Andersdenkende vor. Kurz nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine erließ das Parlament in Moskau, die Staatsduma, ein Gesetz, das die "Diskreditierung der russischen Armee" unter Strafe stellt.

Dazu zählen unter anderem die Verbreitung von Informationen über Kriegsverbrechen der russischen Streitkräfte, aber auch grundsätzliche Kritik an Russlands Angriffskrieg.

Auf Grundlage dieses Gesetzes wurden seither tausende Prozesse gegen vermeintliche Kritiker des Krieges geführt. Zu den bekanntesten Fällen gehören der Menschenrechtler Oleg Orlow, der Kreml-Kritiker Wladimir Kara-Mursa, der Oppositionelle Ilja Jaschin und der Journalist Aleksandr Newsorow.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. November 2024 um 05:44 Uhr.