Nach Gefangenenaustausch Scholz verteidigt "schwierige Entscheidung"
Nach dem Gefangenenaustausch mit Russland und Belarus hat Kanzler Scholz die Freilassung des "Tiergarten-Mörders" gerechtfertigt: Man habe im Sinne der Freiheit und der Unversehrtheit unschuldig inhaftierter Personen entschieden.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Freilassung des sogenannten Tiergarten-Mörders Vadim Krassikow im Zuge des Gefangenenaustauschs mit Russland mit der Gefahr für Leib und Leben in Russland inhaftierter deutscher Staatsbürger begründet. "Niemand hat sich die Entscheidung einfach gemacht, einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Mörder nach nur wenigen Jahren der Haft abzuschieben", sagte Scholz am am Flughafen Köln/Bonn.
In diesem Fall habe das staatliche Interesse an der Vollstreckung der Strafe abgewogen werden müssen "mit der Freiheitsgefahr für Leib und in einigen Fällen auch des Lebens unschuldig in Russland inhaftierter Personen und zu Unrecht politisch Inhaftierter". Für die Bundesregierung sei entscheidend gewesen, "dass wir eine Schutzverpflichtung haben gegenüber deutschen Staatsangehörigen". Auch die Solidarität mit den USA habe den Entschluss beeinflusst.
Scholz erklärte, er habe frühzeitig Oppositionsführer Friedrich Merz über das Vorhaben und auch über das aktuelle Vorgehen informiert. Dieser habe ausdrücklich versichert, dass er mit der Entscheidung der Bundesregierung einverstanden sei.
Scholz: Merz war informiert und stimmte zu
Nach dem Abschluss des Austauschs habe Scholz mit US-Präsident Joe Biden telefoniert, sagte der Kanzler. Biden habe ihm gesagt, dass er "sehr dankbar ist für die Kooperation unserer beiden Länder in dieser wichtigen Angelegenheit" sei. Für die USA sei es besonders wichtig gewesen, den US-Journalisten Evan Gershkovich und den früheren US-Marinesoldaten Paul Whelan freizubekommen.
Biden war zuvor in Washington gemeinsam mit Angehörigen der freigelassenen US-Amerikaner vor die Kameras getreten. "Ich bin vor allem dem Bundeskanzler zu großem Dank verpflichtet", sagte er. Angesichts der Forderungen aus Russland habe er "erhebliche Zugeständnisse" von Deutschland erbitten müssen. Mehrere Partner hätten "mutige" Entscheidungen getroffen, indem sie Gefangene freigelassen hätten, die in ihren Ländern zu Recht festgehalten worden seien - um am Ende US-Amerikaner nach Hause zu bringen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann bezeichnete die Freilassung des verurteilten russischen Mörders Wadim Krassikow aus deutscher Haft als bitteres Zugeständnis im Rahmen des Gefangenenaustausches. Dies sei geschehen, um 16 Menschen ein neues Leben in Freiheit zu ermöglichen. "Ihnen drohte ein ähnliches Schicksal, wie Alexej Nawalny es erlitten hat: Tod in menschenverachtender Willkürhaft." Damit bezog sich Buschmann auf den russischen Oppositionspolitiker, der Mitte Februar in russischer Haft ums Leben kam.
Von der Leyen: "Moment großer Freude"
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte den Gefangenenaustausch. "Diese Errungenschaft wurde durch die enge Zusammenarbeit zwischen den NATO-Alliierten möglich", schrieb er auf der Plattform X. "Das Recht auf friedliche Opposition und die Freiheit der Medien sind für jede funktionierende Gesellschaft von entscheidender Bedeutung."
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem "Moment großer Freude" für alle, die für ihre Freiheit gekämpft haben. Sie begrüße die "Freilassung unschuldiger Bürger aus der EU und den USA sowie aufrichtiger russischer Demokraten, die in Russland gefangen gehalten wurden", schrieb von der Leyen auf X. "Der Kreml tauschte sie gegen verurteilte Kriminelle und Mörder aus. Dies zeigt den krassen Unterschied."
Harris sprach mit Nawalny-Witwe
US-Vizepräsidentin Kamala Harris lobte die Courage der freigekommenen US-Amerikaner. Paul Whelan, Alsu Kurmasheva, Evan Gershkovich und der US-Greencard-Inhaber Wladimir Kara-Mursa hätten "unglaublichen Mut" bewiesen, nachdem sie unrechtmäßig in Russland inhaftiert worden seien.
Harris bot der Witwe Nawalnys ihre Unterstützung an, teilte die Sprecherin Julia Nawalnajas auf der Plattform X mit. Dabei habe die voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten bei der Wahl im November den Einsatz Nawalnajas und ihres im Februar in einem russischen Straflager verstorbenen Mannes für ein "demokratisches Russland" hervorgehoben, erklärte die Sprecherin. Bei dem Gefangenenaustausch waren auch zwei frühere Mitarbeiterinnen Nawalnys sowie ein Ex-Mitarbeiter Nawalnys aus russischer Haft freigekommen.
Trump beschimpft Unterhändler
Der ehemalige US-amerikanische Präsident Donald Trump bezeichnete die US-amerikanischen Unterhändler des Austauschs als "peinlich". Trump fragte in einem Beitrag auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social, ob die USA für die Freilassungen Geld gezahlt hätten, was der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan ausdrücklich verneinte. "Unsere 'Unterhändler' sind immer eine Blamage für uns!" schrieb Trump. "Sie nennen den Handel 'komplex' - damit niemand herausfindet, wie schlecht er ist!"