Politische Häftlinge gegen Mörder Großer Gefangenenaustausch mit Russland
Es ist der größte Gefangenenaustausch seit dem Ende des Kalten Krieges: Russland und mehrere westliche Länder haben 26 Häftlinge freigelassen - unter ihnen der in Belarus verurteilte Deutsche und der "Tiergartenmörder".
Mehrere westliche Staaten und Russland haben nach türkischen Angaben einen groß angelegten Gefangenenaustausch vollzogen. Demnach kam bei dem durch die Türkei vermittelten Austausch auch der in Belarus zum Tode verurteilte und begnadigte Deutsche Rico K. frei. Die USA erreichten die Freilassung des US-Journalisten Evan Gershkovich und des früheren US-Marinesoldaten Paul Whelan.
Im Gegenzug wurde unter anderem der sogenannte Tiergartenmörder Vadim Krassikow übergeben. Russlands Präsident Putin hat besonders großes Interesse an dem Mann, der im Dezember 2021 wegen eines Mordes an einem Georgier im Kleinen Tiergarten in Berlin verurteilt worden war. Krassikow soll die Tat demnach im Auftrag staatlicher russischer Stellen verübt haben.
Insgesamt umfasst der Austausch dem türkischen Präsidialamt zufolge 26 Personen aus den USA, Deutschland, Polen, Slowenien, Norwegen, Russland und Belarus - es ist der größte Gefangenenaustausch seit dem Ende des Kalten Krieges. Insgesamt 13 Personen würden nach Deutschland gebracht, drei in die USA, zehn Personen im Gegenzug nach Russland. Das türkische Präsidialamt präzisierte später seine Aussagen, die Zahl von 26 Freigelassenen schließt demnach auch zwei Minderjährige mit ein.
Bundesregierung: Entscheidung nicht leicht
Die Bundesregierung bestätigte die Freilassung von 16 Personen aus Russland und Belarus. Es sei gemeinsam mit Partnern gelungen, "die Freilassung von 15 Personen zu erreichen, die unrechtmäßig in Russland in Haft saßen sowie eines deutschen Staatsangehörigen, der in Belarus zum Tode verurteilt worden war", teilte sie mit. Sie bestätigte zudem, dass auf der Gegenseite Krassikow Teil des Deals war.
Die Bundesregierung habe sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht, hieß es weiter. "Dem staatlichen Interesse an einer Vollstreckung der Freiheitsstrafe eines verurteilten Verbrechers standen die Freiheit, das körperliche Wohlergehen und - in einigen Fällen - letztlich auch das Leben unschuldig in Russland inhaftierter Personen und zu Unrecht politisch Inhaftierten gegenüber." Die Schutzverpflichtung gegenüber deutschen Staatsangehörigen sowie die Solidarität mit den USA seien wichtige Beweggründe gewesen.
Biden: "Meisterleistung der Diplomatie"
US-Präsident Joe Biden nannte die Freilassung von 16 Häftlingen in einer schriftlichen Stellungnahme eine "Meisterleistung der Diplomatie". Er schrieb weiter, unter den Freigelassenen seien "fünf Deutsche und sieben russische Staatsbürger, die in ihrem eigenen Land politische Gefangene waren".
Bei einer Ansprache im Weißen Haus dankte Biden Kanzler Olaf Scholz für dessen Beitrag zu dem Austausch. "Ich bin vor allem dem Bundeskanzler zu großem Dank verpflichtet", sagte er. Angesichts der Forderungen aus Russland habe er "erhebliche Zugeständnisse" von Deutschland erbitten müssen. Ursprünglich habe Deutschland diese "wegen der fraglichen Person" nicht erfüllen können. Doch am Ende habe Deutschland seinen Beitrag geleistet, ebenso wie mehrere andere Länder, die an den Verhandlungen beteiligt gewesen seien.
Laut dem türkischen Geheimdienst MIT waren insgesamt sieben Flugzeuge an dem Austausch beteiligt. Ausgetauscht wurden die Gefangenen demnach in der türkischen Hauptstadt Ankara. Unter den freigelassenen Russen seien prominente Oppositionspolitiker wie Wladimir Kara-Mursa und Ilja Jaschin. Im Gegenzug erhielt Russland im Westen inhaftierte Landsleute.
Erst Todesurteil, dann Begnadigung
In Belarus hatte Machthaber Alexander Lukaschenko am Dienstag die Todesstrafe gegen Rico K. aufgehoben. Zuvor hatte K. in vom belarussischen Staatsfernsehen gezeigten Aufnahmen um seine Begnadigung gebeten. Der 29 Jahre alte Deutsche war unter anderem wegen angeblichen Söldnertums und Terrorismus im Auftrag des ukrainischen Geheimdienstes SBU im Juni zum Tode verurteilt worden.
Evan Gershkovich war am 19. Juli zu 16 Jahren Haft verurteilt worden.
Der US-Journalist Gershkovich lebte als Reporter des "Wall Street Journal" in Russland. Er wurde am 19. Juli wegen Spionagevorwürfen zu 16 Jahren Haft verurteilt. Gershkovich wies die Anschuldigungen zurück. Der frühere US-Soldat Whelan war zu 16 Jahren Haft mit dem Vorwurf der Spionage verurteilt worden.
Spekulationen über bevorstehenden Austausch
Kremlchef Putin hatte zuletzt wiederholt seine Bereitschaft für einen Austausch erklärt. Er steht in der Kritik, politische Gefangene als Geiseln zu nutzen, um Russen aus westlichen Gefängnissen freizupressen.
Die Spekulationen über einen bevorstehenden Austausch wurden zuletzt unter anderem davon angestoßen, dass Gershkovich ungewöhnlich schnell zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. In den vergangenen Tagen wurden zudem weitere in Russland inhaftierte Menschen aus dem Gefängnis an unbekannte Orte verlegt. Offenbar wurden sie für den Gefangenenaustausch nach Moskau gebracht.
Unter den freigelassenen Russen könnten laut der Nachrichtenagentur dpa auch der Menschenrechtler Oleg Orlow von der Organisation Memorial und die Künstlerin Alexandra Skotschilenko sein. Alle sind Gegner des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, sie hatten langjährige Haftstrafen erhalten. Der Westen hatte die Urteile als Justizwillkür kritisiert und die Freilassung der Gefangenen gefordert.
Bereits zuvor Gefangene ausgetauscht
Die USA und Russland haben trotz ihrer gespannten Beziehungen in der Vergangenheit immer wieder Gefangene ausgetauscht. Im Dezember 2022 und damit schon im laufenden russischen Angriffskrieg gegen Ukraine kam die wegen eines Drogenvergehens verurteilte US-amerikanische Basketballspielerin Brittney Griner frei. Moskau erhielt dafür den in den USA verurteilten russischen Waffenhändler Viktor But. But hatte nach der Rückkehr seine Unterstützung für Russlands Angriffskrieg in der Ukraine geäußert und ist nun Politiker.