Nach EuGH-Urteil "Polen reagiert nur, wenn es an den Geldbeutel geht"
Polens Justizreform verstößt gegen EU-Recht. So urteilte der Europäische Gerichtshof. Zu Recht, sagen viele EU-Parlamentarier. Vizepräsidentin Barley sprach sich dafür aus, die Geldstrafen für Polen weiter zu erhöhen.
Es sei ein wichtiger Tag für die Wiederherstellung der Unabhängigkeit der polnischen Justiz, twitterte EU-Justizkommissar Didier Reynders. Er war im Gegensatz zu Kommissionspräsidentin Ursula von Leyen von Beginn an gegen jeden Kompromiss mit Polens Regierung.
Die habe immer nur so getan, als würde sie die umstrittenen Justizreformen zurücknehmen, sagt Daniel Freund. Der Europaparlamentarier der Grünen ist froh, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun klar gemacht hat, dass Warschaus halbherzige Reformen nicht ausreichen. "Ein starkes Urteil des Europäischen Gerichtshofs", sagt er. "Es zeigt, dass diese Auseinandersetzung über die Rechtsstaatlichkeit auf gar keinen Fall vorbei ist, dass Polen die Bedingungen - auch zum Beispiel um EU-Gelder freizugeben - weiterhin nicht erfüllt."
Barley für höhere Geldstrafen
Denn nach unzähligen Verwarnungen und Drohungen, nach einstweiligen Anordnungen und Vertragsverletzungsverfahren, versucht die EU-Kommission zunehmend nun auch durch Mittelkürzungen Druck auszuüben. Von diesem harten Kurs dürfe man jetzt nicht abweichen, glaubt auch die SPD-Abgeordnete und Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley. "Es hat sich gezeigt, dass die polnische Regierung, ähnlich wie die ungarische, nur reagiert, wenn es an den Geldbeutel geht. Und da sollte auch jetzt wieder angesetzt werden, indem die bereits ausgesprochenen Strafen nun erhöht werden."
Dabei geht es um mindestens 35,4 Milliarden Euro, die Polen in Form von Krediten und Zuschüssen aus dem Corona-Fonds zustehen. Die EU hat diese Gelder blockiert und eine Reihe von Meilensteinen definiert, die für eine Auszahlung erfüllt sein müssen. Dazu gehört die Abschaffung des sogenannten Maulkorbgesetzes gegen kritische Juristen und die völlige Auflösung der Disziplinarkammer - die nach Auffassung des Gerichts nur leicht modifiziert wurde und weiter zur Bestrafung regierungskritischer Richter dienen könnte.
Körner: "Angriff auf die eigene Demokratie"
Sollte Warschau sich jetzt wieder nicht an das Urteil halten, muss die Kommission auch neue Strafzahlungen beantragen, da das bisherige Zwangsgeld - von zuletzt täglich 500.000 Euro - mit dem heutigen Beschluss formal ausläuft, so Moritz Körner von der FDP.
Polens Rechtsstaat sei noch immer defekt. "Die bisherigen Schritte, um den europäischen rechtsstaatlichen Anforderungen gerechter zu werden, reichen nicht", sagt der innenpolitische FDP-Sprecher im EU-Parlament. "Der EuGH hat nun richtig klargestellt: Rechtsbruch bleibt Rechtsbruch." Bei der Hilfe für die Ukraine agiere Polen seit Monaten vorbildlich, sagt Körner weiter. "Es wäre es wünschenswert, wenn die polnische Regierung in diesem Sinne ihren Angriff auf die eigene Demokratie endlich beenden würde."
Das aber ist kaum zu erwarten. So versucht Polens regierende Partei Recht und Gerechtigkeit vor den Wahlen im Herbst mit allen Mitteln die Oppositionsplattform des ehemaligen Regierungschefs Donald Tusk politisch auszuschalten. Grundlage dafür ist ein Gesetz zur Untersuchung angeblicher russischer Einflussnahme, gegen das am Wochenende Hunderttausende in Polen demonstrierten und das sehr wahrscheinlich auch gegen die Grundprinzipien der Europäischen Union verstößt.