Wegen eingefrorener EU-Gelder Polen verabschiedet neue Justizgesetze
Wegen ausbleibender Reformen blockiert die EU Milliardenzahlungen an Polen. Nun hat die dortige Regierung auf den Druck reagiert und zwei Gesetze im Justizsektor verabschiedet. Die Opposition wittert dahinter ein Täuschungsmanöver.
Eine Abstimmung im polnischen Parlament am Mittwochabend: Sie klingt ruhig, ist aber ein politischer Knall. Denn die PiS-geführte Regierung geht nach jahrelangem Streit auf die Forderungen der EU-Kommission ein - jedenfalls gibt sie das vor.
Denn der Druck ist enorm: 35 Milliarden Euro hält die EU-Kommission zurück. Geld aus dem Corona-Wiederaufbaufonds, das für Polen bestimmt ist. Dazu kommen noch deutlich größere Summen aus den Kohäsionsfonds der EU, deren Auszahlung derzeit zumindest unsicher ist.
Für Polen dringend benötigte Gelder für Infrastrukturprojekte, Erneuerbare Energien, Bildungseinrichtungen und vieles mehr. Betroffen sind vor allem Städte und Gemeinden. Entsprechend ungeduldig fordern sie, die Regierung müsse der EU endlich entgegenkommen.
"Polens Regierung betrachtet EU als Bankautomaten"
So wie Jacek Karnowski, Bürgermeister der Ostseestadt Sopot. "Dass das Geld seit fast zwei Jahren nicht kommt, ist ein Skandal und die Schuld dieser Regierung", kritisiert er. Die Regierung sei Schuld, weil sie versuche, "die EU auszutricksen" und "weil sie die EU als Bankautomaten betrachtet", so Karnowski. "Sie kennt zwar die PIN - also Demokratie, versucht aber, den Bankautomaten mit einer Brechstange zu öffnen und gleichzeitig die Bank zu zerstören, von der das Geld kommt."
Lokalverwaltungen hätten von Anfang an betont, dass "wir Demokratie, freie Gerichte, freie Medien und eben das Geld brauchen", so Karnowski.
Umstrittene Disziplinarkammer soll umstrukturiert werden
Bevor die Mittel freigegeben werden, muss die polnische Regierung Auflagen aus Brüssel erfüllen: Unter anderem muss sie nach Urteilen des Europäische Gerichtshofs (EuGH) und des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ihre Eingriffe in die Unabhängigkeit polnischer Gerichte zumindest in Teilen zurücknehmen.
Das nun von Polen beschlossene Gesetz soll deshalb einen besonders strittigen Kritikpunkt aushebeln: die sogenannte Disziplinarkammer. Das Sondergericht - im Wesentlichen geschaffen für die Sanktionierung der Richterschaft - wird zwar nicht aufgelöst, aber umstrukturiert.
Die Opposition hält das Vorhaben für fadenscheinig und verfassungswidrig. Der Koalitionspartner der PiS hält es für ein Einknicken vor der EU. Selbst innerhalb der PiS-Partei gibt es Widerspruch, allerdings weniger wegen rechtlicher oder inhaltlicher Bedenken, mehr wegen einer tiefsitzenden Vorstellung der EU als Feind.
Diese Auffassung teilt auch der PiS-Abgeordnete Marek Suski. Er habe den Eindruck, "unabhängig davon, was wir machen", werde Polen von der EU nicht gemocht. Deshalb seien die Chancen gering, "dass sie uns die Gelder aus dem Wiederaufbaufonds geben". Suski ist überzeugt: "In der EU herrscht die Doktrin, Polen verhungern zu lassen - wegen unserer Regierung, die sie nicht mögen."
"Ein Versuch, die Verantwortung zu verwässern"
Aber der Druck ist groß. Und deshalb gelang es der PiS-Partei mit einer geschickten Taktik, erst die Opposition, dann den eigenen Koalitionspartner auszumanövrieren und das Gesetz mit knapper Mehrheit durchzubringen.
Ein politisches Kunststück. Ein wirkungsloses allerdings, findet die Anwältin Sylwia Gregorczyk-Abram von der Initiative "Freie Gerichte". "Dieses Gesetz bringt nichts für die Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit des Landes", warnt sie: "Es beschleunigt auch keine Verfahren, schlägt keine Lösungen vor, die den Urteilen der beiden europäischen Gerichtshöfe entsprechen würden." Das neue Gesetz sei nur ein Versuch, "die Verantwortung zu verwässern und vorzutäuschen, dass man tatsächlich etwas gemacht hat".
Jetzt muss die EU-Kommission entscheiden, ob ihr das Entgegenkommen reicht, um die gesperrten Gelder freizugeben. Die PiS jedenfalls kann im laufenden Wahlkampf betonen, sie habe nun wirklich alles getan, um das Geld für Polen zu bekommen.