Impfkampagne in Polen "Wir sind auf dem besten Weg ins Armageddon"
Die Impfkampagne in Polen war schnell gestartet, viele Menschen ließen sich impfen. Ein Jahr später ist aber gerade einmal die Hälfte der Bevölkerung doppelt geimpft. Also wird nun eine Impfpflicht diskutiert.
In einem Werbespot wirbt Cezary Pazura, einer der bekanntesten Schauspieler Polens, für die Corona-Impfung. "Ich sage, impfen ist nicht nur Deine Sache. Es ist eine Frage von Leben und Gesundheit der anderen." Er war eines der prominenten Gesichter, mit dem die polnische Regierung für ihre Impfkampagne warb - vor genau einem Jahr. Und heute? Steht Polen bei nur knapp 57 Prozent doppelt Geimpften.
Vielen Menschen blieben zurückhaltend
Das ist wenig, angesichts der Tatsache, mit welch Furor die Kampagne gestartet war: Schnell und unkompliziert organisiert lag die Impfquote lange über der deutschen - bis sich zeigte, wie viele Polinnen und Polen doch zurückhaltend blieben beim Thema Impfen. Also wird jetzt auch in Polen eine Impfpflicht diskutiert.
Es soll allerdings eine sehr beschränkte sein, erklärt Premierminister Mateusz Morawiecki: "Es liegt kein Vorschlag für eine Impfpflicht für alle auf dem Tisch, höchstens für gewisse Berufsgruppen, die am ehesten bedroht sind", sagt er. "Wir diskutieren über die Impfpflicht für uniformierte Dienste."
Impfpflicht für medizinisches Personal
Bisher wurde eine verpflichtende Impfung nur fürs medizinische Personal beschlossen. Bis März müssen alle, die direkten Kontakt zu Erkrankten haben, Medizinerinnen und Mediziner, Beschäftige in Apotheken und Pflegepersonal eine Impfung nachweisen. Ob es bei Verstößen dagegen auch Konsequenzen gibt, überlässt die Regierung allerdings den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern.
Bald könnte die Pflicht etwa auf Polizei und Grenzschutz ausgeweitet werden, aber auch auf Lehrkräfte. Es ist allerdings ein Plan, der die Regierung spaltet. Auf der einen Seite Przymyslaw Czarnek, der Bildungsminister. Czarnek sagt: "Ich bin ein Anhänger der Freiheit und ich schätze diese Freiheit. Mit guten Argumenten und dem Hinweis auf die Lage in den Krankenhäusern, wo vor allem Ungeimpfte ums Leben kommen - davon würden wir viel mehr profitieren als mit dem Kampf dafür, alle gewaltsam impfen zu lassen."
Auf der anderen Seite steht Gesundheitsminister Adam Niedzielski. Er sagt: "Ich stehe weiterhin absolut dazu, dass die Impfung für Uniformierte und Lehrer Pflicht sein sollte. Und ich werde die Regierung davon überzeugen."
Die Hälfte ist dafür - die andere dagegen
Ähnlich unentschieden ist die Stimmung in der Bevölkerung. Gut die Hälfte, 54 Prozent, spricht sich in einer aktuellen Umfrage der Zeitung "Rzeczpospolita" für eine Variante der Impfpflicht aus.
Wenig einheitlich auch das Bild auf der Straße in Warschau. "Es gibt keine Impfpflicht und das soll so bleiben. Umso mehr, als es Menschen gibt, die sagen, die Impfung wirkt gar nicht", sagt ein Mann. Eine Frau sagt: "Ich bin selbst nicht geimpft. Ich habe mehr Angst vor der dem Impfstoff als vor dem Virus." Ein Dritter meint dagegen: "Auf jeden Fall bin ich dafür, vor allem wegen der öffentlichen Gesundheit. Das menschliche Leben ist jetzt wichtiger als erstmal noch lange Aufklärung zu betreiben."
Corona-Rat wirft hin
Ende der vergangenen Woche traten dann aus Protest gegen die laxe Corona-Politik auf einen Schlag 13 der 17 medizinischen Beraterinnen und Berater des Premierministers zurück. Eine von ihnen, die Medizinprofessorin Anna Piekarska, beschreibt die Lage in Polen in drastischen Worten: "Wir haben jetzt das schwärzeste Szenario, vor dem wir von Anfang an gewarnt haben." Die ungeimpfte Minderheit ermögliche dem Virus zu mutieren und jetzt auch wieder Geimpfte zu infizieren, sagt sie. "Wir sind auf dem besten Weg ins Armageddon."
Derzeit, so heißt es von Medizinerinnen und Medizinern, sei noch nicht einmal klar, ob die aktuelle Welle in Polen noch Delta oder schon Omikron ist. Der zuständige Parlamentsausschuss jedenfalls hat das Thema "Impfpflicht" vorerst vertagt.