OSZE-Treffen in Malta Heftige Kritik an Rede von Lawrow
Die Rede von Russlands Außenminister Lawrow auf der OSZE-Konferenz in Malta hat scharfe Kritik ausgelöst. Außenministerin Baerbock warf ihm "unerträgliche Lügen" vor. Polens Außenminister verließ den Saal.
Die Rede von Russlands Chefdiplomat Sergej Lawrow bei einem Ministertreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auf Malta hat für heftige Kritik gesorgt. Außenministerin Annalena Baerbock bezichtigte Lawrow "unerträglicher Lügen" zum Krieg gegen die Ukraine. Er könne sich selbst etwas vormachen, aber den 1,3 Milliarden Menschen in Europa nicht, sagte die Grünen-Politikerin wörtlich.
In Europa leben allerdings weniger als 800 Millionen Menschen. Auf Nachfrage korrigierte eine Sprecherin von Baerbock die falsche Angabe und verwies auf den veröffentlichten schriftlichen Redetext. Darin heißt es: "Sie können sich selbst etwas vormachen, aber uns, den 1,3 Milliarden Menschen in der OSZE-Region, können Sie nichts vormachen."
Lawrow hatte dem Westen zuvor vorgeworfen, für die Entstehung eines neuen Kalten Krieges verantwortlich zu sein. Dieser könne in ein "heißes Stadium" übergehen, sagte er. Außerdem behauptete Lawrow, westliche Staaten hätten den Krieg in der Ukraine angefacht und die Kontrolle über die OSZE übernommen.
Während Lawrows Rede verließ Polens Außenminister den Saal. Im Vorfeld hatte er bereits angekündigt, nicht mit Lawrow an einem Tisch sitzen zu wollen. Mehrere Medien berichteten übereinstimmend, dass auch Vertreter Tschechiens, der Ukraine sowie der drei baltischen Staaten den Saal verließen.
Blinken: "Desinformations-Tsunami"
US-Außenminister Antony Blinken sprach von einem "Desinformations-Tsunami". "Lassen Sie uns über Eskalation sprechen", sagte Blinken und verwies auf den Einsatz nordkoreanischer Soldaten auf russischer Seite im Angriffskrieg, den Einsatz von Mittelstreckenraketen, die Änderung der russischen Nukleardoktrin und Angriffe auf das Energienetz der Ukraine. Der US-Außenminister monierte, dass Lawrow nicht einmal im Saal geblieben war, um sich seine Kritik anzuhören.
Auch der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha nimmt an der zweitägigen Konferenz teil. Sybiha sprach Lawrow in seiner Rede als "den Kriegsverbrecher an diesem Tisch" an, ohne ihn beim Namen zu nennen. "Unser Friedensplan lautet: Russland soll die Ukraine verlassen und uns in Ruhe lassen", sagte er. Sybiha betonte: "Es wird keine Kompromisse bei unserer territorialen Integrität, Souveränität oder zukünftigen Sicherheit geben."
Protest von Mitgliedsstaaten
Bereits im Vorfeld der Konferenz hatte sich unter einigen der 57 OSZE-Mitgliedsstaaten Widerstand gegen den Lawrow-Auftritt geregt. Manche Länder erklärten, ihre Minister würden aus Protest nicht an dem Treffen teilnehmen. Die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sorgten am Abend vor dem Treffen dafür, dass der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, das Visum zur Einreise entzogen wurde.
Es ist Lawrows erste Reise in die EU seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022. Zuletzt war Lawrow Ende 2021 in einem EU-Land, auch damals zu einem OSZE-Ministertreffen. Als im Dezember 2022 die OSZE im polnischen Lodz tagte, verweigerte Warschau Lawrow die Einreise, obwohl die gegen ihn im Februar 2022 verhängten EU-Sanktionen kein Einreiseverbot bedeuten.
OSZE steckt in tiefer Krise
Die OSZE gilt als eines der wenigen Dialogforen der Sicherheits- und Demokratiepolitik, in denen westliche Vertreter mit Russland an einem Tisch sitzen. Im Gegensatz zu mehreren anderen europäischen Institutionen ist Russland nicht aus der OSZE ausgetreten. Moskau sieht die Organisation als Plattform, um dort eigene Positionen zum Krieg verbreiten zu können.
Seit Kriegsbeginn steckt die Organisation in einer tiefen Krise. Russland hat sein Veto gegen mehrere wichtige Entscheidungen eingelegt, die einen Konsens erfordern. Die anderen Mitgliedsstaaten werfen Moskau vor, die Arbeit der OSZE zu unterwandern und zu blockieren. Seit drei Jahren wird der Haushalt der Organisation nur provisorisch verwaltet. Außerdem sind die vier Spitzenposten der OSZE, darunter die des Generalsekretärs, seit September vakant. Die Mitgliedsstaaten konnten sich nach Helga Schmids Amtszeit nicht auf eine ordentliche Nachfolge einigen.
In früheren Versionen des Textes hatten wir zunächst Baerbocks wörtliches Zitat "... den 1,3 Milliarden Menschen in Europa" und danach - weil es sachlich falsch war - ihr Zitat aus dem Redemanuskript: "... den 1,3 Milliarden Menschen in der OSZE-Region" wiedergegeben. Dabei orientierten wir uns an der Nachrichtenagentur dpa als Quelle. Um jedoch transparent zu sein, sind wir nun zur ursprünglichen wörtlichen Rede zurückkehrt und haben den Hintergrund gemäß einer erneuten Korrektur der dpa oben im Text erklärt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen