Neue Sorbonne-Rede Macrons "Unser Europa kann sterben"
2017 hatte Macron mit seiner Europa-Rede viel Aufsehen erregt. Sieben Jahre später ruft der französische Präsident Europa erneut auf, bei der Verteidigung stärker zu kooperieren. Europa sei sterblich und stehe an einem Wendepunkt.
Sieben Jahre nach seiner aufsehenerregenden Rede an der Pariser Universität Sorbonne hat der französische Präsident Emmanuel Macron vor Gefahren für Europa gewarnt. "Es besteht ein immenses Risiko geschwächt oder gar abgehängt zu werden", sagte er in einer Grundsatzrede. "Unser Europa heute ist sterblich, es kann sterben, und das hängt allein von unseren Entscheidungen ab."
Europa stehe an einem Wendepunkt und müsse mehr tun, um mit den schnell aufrüstenden globalen Rivalen konkurrieren zu können, so Macron. Europa müsse sich der Tatsache bewusst werden, dass es angesichts globaler Bedrohungen wie Russlands Krieg in der Ukraine nicht ausreichend bewaffnet sei und dass es seine Verteidigungsstrategie ändern müsse.
Macron schlägt europäische Militärakademie vor
Denn der Krieg in der Ukraine sei die größte Gefahr für die Sicherheit Europas: "Die Grundvoraussetzung für unsere Sicherheit ist, dass Russland diesen Angriffskrieg nicht gewinnt", sagte er weiter. Er schlug den Aufbau einer europäischen Militärakademie vor. Auch müsse Europa den Bereich der Cybersicherheit stärken sowie die eigene Rüstungsindustrie fördern. "Wie können wir unsere Souveränität, unsere Autonomie aufbauen, wenn wir nicht die Verantwortung für die Entwicklung unserer eigenen europäischen Verteidigungsindustrie übernehmen?", fragte er.
Die nukleare Abschreckung, über die Frankreich verfüge, sei dabei "ein unumgängliches Element der Verteidigung des europäischen Kontinents", erklärte Macron. "Dank dieser glaubwürdigen Verteidigung können wir die Sicherheitsgarantien aufbauen, die unsere Partner in ganz Europa erwarten", betonte er.
Auch sprach er sich dafür aus, nach dem Brexit die Beziehung zu Großbritannien auf Verteidigungsebene auszubauen. Macron bezeichnete den Brexit als eine der "beispiellosen Krisen", mit denen Europa in den letzten Jahren konfrontiert war. Es sei eine "Explosion" gewesen, deren negative Auswirkungen dazu geführt hätten, dass sich heute niemand mehr traue, einen Ausstieg vorzuschlagen - weder aus Europa noch aus dem Euro.
Macron: Nicht abhängig von USA sein
Macron sagte, Europa müsse in der Lage sein, einen Dialog mit Drittländern aufzunehmen und zu zeigen, dass es kein "Vasall" der USA sei. Wirtschaftlich drohe der alte Kontinent im internationalen Kontext zurückzufallen und müsse sein Wachstumsmodell überdenken.
Zweite Auflage seiner 2017-Rede
Bereits 2017 hatte der damals frisch ins Amt gewählte Präsident in der Universität Sorbonne eine ambitionierte Vision für ein souveränes Europa entworfen, die für viel Aufsehen sorgte. Macron hatte sich damals insbesondere für eine stärkere Souveränität der EU und eine gemeinsame Verteidigungspolitik ausgesprochen. Durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine bekamen diese Forderungen ungeahnte Aktualität.
Eine Wahlkampfrede vor den Europawahlen sollte diese Rede explizit allerdings nicht sein, hieß es vorab aus dem Élysée-Palast. Macrons Lager liegt Meinungsforschern zufolge derzeit weit abgeschlagen hinter dem rechtspopulistischen Rassemblement National, der in Umfragen auf etwa 30 Prozent kommt. Macrons Liste kommt hingegen nur auf 16 bis 19 Prozent, Spitzenkandidatin Valerie Hayer ist in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt.