Nach Parlamentswahl im Juni Frankreich hat eine neue Regierung
Rund zweieinhalb Monate nach der Parlamentswahl steht die neue französische Regierung fest. Und mit ihr zeichnet sich ein deutlicher Ruck nach rechts ab. Bereits im Oktober steht Premier Barnier die erste Herkulesaufgabe bevor.
Nach einer wochenlangen Hängepartie hat Frankreich jetzt eine neue Regierung: ein Mitte-Rechts-Bündnis - mit deutlichen Akzentsetzungen nach rechts. Am Samstagabend teilten der Élysée-Palast die Namen der mehr als 30 Ministerinnen und Minister sowie der Staatssekretäre mit. Sämtliche Schlüsselpositionen werden demnach neu besetzt.
Insgesamt hat die neue Regierung unter Premierminister Michel Barnier knapp 40 Mitglieder, 19 von ihnen sind vollberechtigte Minister. Barnier war bereits vor rund zwei Wochen von Präsident Emmanuel Macron zum neuen Regierungschef ernannt worden. Der Löwenanteil der Schlüsselposten geht an das Präsidentenlager. Trotzdem ist der Einfluss der konservativen Partei Les Républicains (LR) beträchtlich. Sie hat unter anderem die Ressorts Landwirtschaft, Universitäre Bildung und Forschung und das Innenministerium erhalten.
Hardliner wird Innenminister
Insgesamt ist das neue Kabinett der endgültige Beleg dafür, dass sich die zweite Amtszeit von Macron politisch deutlich nach rechts orientiert. Dafür steht besonders der neue Innenminister Bruno Retailleau. Er war vorher Chef der Républicains im Senat und gilt in der Sicherheits- und Einwanderungspolitik als Hardliner und zudem als entschieden wertekonservativ.
Neuer Außenminister wird der bisherige Europaminister Jean-Noël Barrot. Der 41-Jährige ist ein Befürworter einer gemeinsamen Schuldenaufnahme in der EU. Der ihm beigeordnete Europaminister Benjamin Haddad ist künftig für die deutsch-französischen Beziehungen zuständig. Der Posten des Verteidigungsministers bleibt unverändert. Das Amt wird weiterhin Sébastien Lecornu innehaben. Auch das Kultusministerium behält seine Spitze: Kulturministerin Rachida Dati bleibt ebenfalls im Amt. Die zum konservativen Lager gehörende bisherige Arbeitsministerin Catherine Vautrin wird Ministerin für regionale Angelegenheiten.
Nur eine Besetzung aus linkem Lager
Einziger Vertreter des politisch linken Spektrums ist Didier Migaud, der bisher die französische Transparenzbehörde geleitet hat. Migaud übernimmt das Justizministerium. Mehrere linke Politiker hatten Angebote Barniers ausgeschlagen, weil sie dessen konservative politische Linie ablehnen.
Auffällig ist, dass keiner der potenziellen Präsidentschaftskandidaten an der Regierung beteiligt ist und mehrere politische Schwergewichte nicht mehr beteiligt sind. Dafür soll Barnier ausdrücklich gesorgt haben. Sowohl der bisherige Innenminister Gérald Darmanin als auch der bisherige Wirtschaftsminister Bruno Le Maire haben die Regierung verlassen. Der konservative Fraktionschef Laurent Wauquiez lehnte nach eigenen Angaben das Wirtschaftsministerium ab.
Scharfe Kritik von der Opposition
Die Opposition reagierte mit scharfer Kritik auf die Zusammensetzung der neuen Regierung. Diese sei "weit entfernt von dem Wunsch nach Veränderung", den die Wähler zum Ausdruck gebracht hatten, sagte die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen vom Rassemblement National. Auch der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon ging auf Konfrontationskurs zum neuen Kabinett: "Diese Aufstellung ist weder rechtmäßig, noch erfolgversprechend. Wir werden sie schnellstmöglich abschaffen." Der sozialistische Parteichef Olivier Faure sprach von einer "reaktionären Regierung, die der Demokratie den Stinkefinger zeigt".
Die Zusammensetzung der Regierung könnte auch die Fliehkräfte innerhalb des Präsidentenlagers verstärken, denn in Macrons eigenen Reihen sind längst nicht alle glücklich über die starke Rolle der Républicains und die deutlich konservative Kante der Regierung. Auch deshalb bleibt die neue Regierung eine fragile Allianz. Trotzdem zeigte sich Premeir Barnier beim Kurznachrichtendienst X zuversichtlich. "Ein Team - und jetzt an die Arbeit!", schrieb er.
Erneut Proteste in mehreren Städten
In vielen Städten Frankreichs gab es am Samstag allerdings erneut Proteste gegen die Regierung. Allein in Paris gingen nach Polizeiangaben etwa 3.200 Menschen auf die Straße. Dazu aufgerufen hatten Teile des Linksbündnisses NFP, das bei den Parlamentswahlen die meisten Mandate geholt hatte, sowie mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen.
Bereits am Sonntag soll das neue Kabinett zu seiner ersten Sitzung zusammenkommen. Es wird erwartet, dass Barnier am 1. Oktober seine Regierungserklärung in der Nationalversammlung abgibt. Ab Oktober steht im Parlament die Debatte über den Haushalt für 2025 an. Es ist Barniers erstes Großprojekt. In Anbetracht der finanziellen Lage Frankreichs kommt das einer Herkulesaufgabe gleich - die instabile politische Lage wird diese Aufgabe nicht leichter machen.
Mit Informationen von Carolin Dylla, ARD-Studio Paris