Frankreich nach Olympia Zurück in der Krise
Während Olympia hat sich Frankreich eine Auszeit von der politischen Krise gegönnt. Nun muss Präsident Macron endlich klären, wer neuer Premier werden soll. Das Grundproblem bleibt: die unklaren Mehrheiten im Parlament.
Zwei Wochen lang war Frankreich gewissermaßen "politikfreie Zone": Die Olympischen Spiele überlagerten alles. Hat Präsident Emmanuel Macron sich damit Luft verschafft? Ja und nein, sagt der Politikwissenschaftler Benjamin Morel im Radiosender France Info: "Wir haben noch immer eine parlamentarische Blockade."
Egal, wie eine künftige Regierung aussehe: Es gebe keine klare Mehrheit im Parlament, um diese Regierung zu unterstützen. Die letzten Wochen seien eine "zauberhafte Auszeit" gewesen, in der die politische Krise ausgeklammert war, erklärte Morel im Interview.
"Das hat ein bisschen Druck von Emmanuel Macron genommen, was die Ernennung eines Premierministers angeht. Aber Macron hat dafür noch immer die gleichen Karten auf der Hand."
Angebot des Linksbündnisses liegt vor
Das Linksbündnis versucht nun, den Druck auf den Präsidenten zu erhöhen: Dessen Kandidatin für den Posten der Premierministerin, Lucie Castets, hat einen Brief an alle Abgeordneten und Senatoren verschickt - außer an den rechtsnationalen Rassemblement National (RN), bei dem weiterhin Marine Le Pen den Ton angibt.
Darin erläutert die 37-jährige Spitzenbeamtin fünf politische Prioritäten: etwa die Abschaffung der Rentenreform und Steuergerechtigkeit. Das sei eine Arbeitsgrundlage, aber mit Führungsanspruch des Linksbündnisses, sagt Danièle Obono, Abgeordnete der Linksaußenpartei LFI.
"Die Logik der Institutionen verlangt, die Kandidatin des Linksbündnisses zu ernennen. Wir haben nur eine sehr knappe Mehrheit. Aber deshalb gab es diesen Brief, in dem wir unsere fünf großen Prioritäten darlegen", erklärt die Politikerin. Das Linksbündnis rufe die republikanischen Kräfte auf, sich zu diesen Punkten zu positionieren. Ziel müsse es sein, zusammen zu überlegen, wie die Parteien arbeiten wollen.
Präsidentenlager will keine Zusammenarbeit
Überhaupt läuft die politische Kommunikation aktuell vor allem über Briefe - auch bei Noch-Premierminister Gabriel Attal. Sein Schreiben zum "Aktionspakt für die Franzosen" zählt die politischen Prioritäten der Präsidentenpartei "Renaissance" auf, darunter: Ausgleich der öffentlichen Finanzen, Kaufkraft sowie Sicherheit und öffentliche Daseinsfürsorge.
Für das Präsidentenlager kommt eine Zusammenarbeit mit den Linkspopulisten allerdings nicht infrage; genauso wenig wie mit dem Rassemblement National. Der RN wiederum präsentiert sich als verantwortungsbewusste Opposition, die bereit sei, auch für Projekte der anderen Parteien zu stimmen, sollten die "dem allgemeinen Interesse" dienen.
Es gebe aber eine rote Linie, erklärt der RN-Abgeordnete Thomas Ménagé: "Unsere Haltung ist klar: Wir werden keine Regierung akzeptieren, in der Vertreter von LFI und den Grünen sitzen." Das Programm des Linksbündnisses sei eine wirtschaftliche und sicherheitspolitische Katastrophe. "Ebenso mit Blick auf unsere Werte." Sollte es eine Regierung Castets geben, werden der RN ein Misstrauensvotum anstrengen.
Die Zeit für Macron drängt
Drohende Misstrauensvoten seien das größte Problem bei der Regierungsbildung, glaubt Politikwissenschaftler Morel. Und ein Ausweg zeichne sich für den Präsidenten nicht ab. "Entweder setzt Macron darauf, dass das Linksbündnis bröckelt; darauf dass der RN seinen Regierungsvorschlag stillschweigend mittragen würde, oder er lässt es darauf ankommen, dass seine Regierung gestürzt wird.
Am 23. August will Macron die Fraktions- und Parteichefs zu Gesprächen treffen. Wann er einen Regierungschef ernennt, ist aber weiter unklar. Doch allmählich drängt die Zeit: Mitte September soll der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr sowohl vom Staatsrat als auch vom Hohen Rat für Öffentliche Finanzen abgesegnet sein. Bis Anfang Oktober muss er dem Parlament vorliegen.