Rechte in der EU Einig, uneinig zu sein
Europäische Rechtsparteien knüpfen länderübergreifende Kontakte, stehen aber vor Interessenkonflikten. Die AfD steht dabei am Rand - auch wegen innerparteilicher Differenzen.
Warschau, Anfang Dezember. Abgesandte von zehn rechtsgerichteten europäischen Parteien treffen sich in der polnischen Hauptstadt. Die polnische Regierungspartei PiS hat zum "Warschauer Gipfel" geladen. Die prominentesten Gäste sind Marine Le Pen aus Frankreich und der ungarische Regierungschef Viktor Orbán. Die FPÖ entsandte ihre Vizevorsitzende. Aus Spanien reiste der Vorsitzende der VOX-Partei an.
Ihr Ziel: strategische Gespräche über die Zukunft der EU und der mögliche Zusammenschluss zu einer Fraktion im Europaparlament. Das Ergebnis: eine vage Absichtserklärung über künftige Treffen und eventuell gemeinsame Abstimmungen im Europaparlament. Abgesagt hatten die italienischen Rechtsparteien Lega Salvini und Fratelli d’Italia. Gar nicht erst eingeladen war die AfD.
Zwei Fraktionen im Europa-Parlament
Der "Warschauer Gipfel" war nicht der erste Anlauf, eine transnationale Allianz der nationalistischen Parteien zu schmieden. Im Europa-Parlament verteilen sie sich auf zwei Fraktionen, die EKR-Fraktion - dominiert von der PiS - und die ID-Fraktion, die zurzeit fast ausschließlich rechte Oppositionsparteien vereinigt. Hier sind die Lega und Le Pens Rassemblement National etwa gleich stark. Auch AfD und die FPÖ sind Mitglied der ID-Fraktion. Ungarns Regierungspartei Fidesz unter Orbán ist fraktionslos und auf der Suche nach einer neuen Heimat im Europaparlament.
Neben gemeinsamen Positionen, etwa in der Migrationspolitik, der Familienpolitik und der Ablehnung liberaler Grundwerte, trennt die rechtskonservativen bis rechtsextremen Parteien vieles. Das betrifft die Wirtschaftspolitik, aber auch das Verhältnis zu Russland. So sagte Le Pen einer polnischen Zeitung, die Ukraine gehöre zur russischen Einflusszone - eine Position, der Polen und insbesondere die PiS grundlegend widersprechen. Hinzu kommt, dass sich starke Persönlichkeiten wie Le Pen und Orban nur schwer einander unterordnen können.
PiS baut auf Gegnerschaft zu Deutschland
Das Verhältnis der PiS zu Deutschland wiederum veranschaulicht, dass nationalistische Politik die Parteien in Europa auseinander treibt, statt eint. So wollte der PiS-Vizechef Antoni Macierewicz den "Warschauer Gipfel" als Treffen verstanden wissen, das sich auch gegen die "deutsche Hegemonie" in der EU richte.
Das könnte erklären, warum die AfD nicht eingeladen wurde. Eine Frage des ARD-Politimagazins Kontraste und von tagesschau.de zu den Gründen ließ der PiS-Politiker und Co-Vorsitzender der EKR-Fraktion, Ryszard Legutko, unbeantwortet.
Dabei fehlt es nicht an Bemühungen seitens der AfD-Europaabgeordneten, der PiS zu gefallen. Sie treten als vehemente Unterstützer Polens im von der EU-Kommission eingeleiteten Rechtsstaatsverfahren gegen die Regierung in Warschau auf. In Interviews mit dem englischsprachigen PiS-nahen Kanal TVP World befürworten sie Positionen der PiS.
Gutachten zur Zusammenarbeit
In einem Gutachten, das Kontraste und tagesschau.de vorliegt, ließ die AfD eigens die Chancen für eine Kooperation untersuchen. Der Gutachter kommt zu dem Schluss, dass - wie bei Le Pen - die pro-russische Position der AfD ein Problem darstellt, dies noch verschärft durch die Befürwortung der Pipeline Nord Stream 2. Hier widerspricht der Noch-Parteivorsitzende und Europaabgeordnete Jörg Meuthen allerdings. Er schrieb auf Anfrage, das Projekt Nord Stream 2 "dürfte in diesem Kontext kaum eine Rolle gespielt haben".
Außenseiter AfD
Auch in der ID-Fraktion im Europaparlament nimmt die AfD eine Position am Rande ein. Die Partei ist zwar Fraktionsmitglied, gehört jedoch nicht dem zugehörigen europäischen Parteienbündnis "Identität und Demokratie" an.
Für Irritationen selbst unter den EU-kritischen rechten Parteien sorgte der im April gefasste Parteitagsbeschluss der AfD, einen Austritt nicht nur aus dem Euro, sondern aus der EU anzustreben. Auf dem Parteitag in Dresden fielen Argumente wie: "Weil die EU sterben muss, wenn Deutschland leben will".
Sowohl die Lega als auch der Rassemblement National gaben ihre Austrittsfantasien bereits vor einiger Zeit auf. Während diese sich rhetorisch mäßigten, wird die Tonlage der AfD zunehmend schriller. Auch Meuthen warnte, dass der Austrittsbeschluss die Bündnisoptionen der AfD gefährden könne. Auf Anfrage von Kontraste und tagesschau.de nannte er den Beschluss erneut "unklug".
Widersprüchliche Außenpolitik
Während Meuthens Tage an der AfD-Spitze gezählt sind, zeigt die Partei eine verwirrende Außenpolitik. Ausgerechnet am Wochenende des "Warschauer Gipfels" reiste der Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré von dem unter Rechtsextremismusverdacht stehenden AfD-Landesverband Brandenburg in die polnische Hauptstadt - um dort mit Vertretern des Bündnisses Konfederacja und weiteren europäischen Rechtsparteien "Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu sondieren". In Konfederacja sind extrem rechte, nationalistische und monarchistische Gruppen, die bei der letzten polnischen Parlamentswahl rund sieben Prozent erreichten.
In der AfD herrscht Unmut über Kotré. Nach Informationen von Kontraste und tagesschau.de gab es im Fraktionsvorstand Bemühungen, ihm eine Rüge zu erteilen. Die Beteiligten wollten sich auf Nachfrage nicht dazu äußern. Meuthen zufolge fanden diese Kontakte ohne Absprache mit der Führungsebene der Partei statt. Sie seien abzulehnen. Kotré allerdings handelt anders: Mitte Dezember organisierte er mit der Konfederacja eine grenzübergreifende gemeinsame Demonstration.
Schon bei anderen Gelegenheiten wie der Duma-Wahl in Russland waren AfD-Abgeordnete auf eigene Faust und teils gegen den erklärten Willen ihrer Fraktionen als Beobachter vor Ort. Andere bringen ihre Partei durch freundliches Verhalten gegenüber China oder durch widersprüchliche Positionen in politischen Konflikten in Verlegenheit. Der offenkundig fehlende Professionalismus in der Außenpolitik und die Position Deutschlands als Gegner nationalistischer Parteien lassen die AfD in Europa wenig attraktiv erscheinen. Doch auch andere Parteien finden schwer zu einander, stabile Bündnisse sind darum schwer möglich.