Konflikt im Südkaukasus Warum es in Bergkarabach immer wieder eskaliert
Seit Jahrzehnten schwelt der Konflikt um Bergkarabach zwischen Armenien und Aserbaidschan. Nach dem neuerlichen Aufflammen der Kämpfe soll es Gespräche über die Auflösung der bewaffneten Kräfte von Bergkarabach geben. Hintergründe zum Konflikt.
Seit dem Zerfall der Sowjetunion streiten sich die Kaukasusrepubliken Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach. Die abtrünnige Region gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt. Die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken führten bereits zwei Kriege um die Enklave, nun eskalieren die Spannungen erneut.
Ursachen reichen bis 1917 zurück
Die Wurzeln des Konflikts liegen historisch lange zurück: Bereits 1917 lieferten sich Armenien und Aserbaidschan nach dem Ende der Zarenzeit einen Bürgerkrieg um Bergkarabach. 1921 schlug der Sowjetherrscher Josef Stalin die Region der sozialistischen Sowjetrepublik Aserbaidschan zu, ab 1923 genoss sie Autonomie.
1991 sagte sich Bergkarabach nach einem Referendum von Aserbaidschan los. Seitdem herrscht dort eine autonome Regierung mit engen Verbindungen zu Armenien. Diese wird international jedoch bis heute nicht anerkannt.
Waffenstillstand 1994 hegte Konflikt zunächst ein
Im Zuge eines anschließenden Kriegs wurden Hunderttausende Menschen aus beiden Ländern vertrieben und schätzungsweise 30.000 Menschen getötet. 1993 eroberte die armenische Armee von Aserbaidschan kontrollierte Ortschaften und errichtete eine 8.000 Quadratkilometer große "Sicherheitszone". 1994 wurde ein Waffenstillstand unterzeichnet.
Wiederholte Drohungen aus Aserbaidschan
Im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) fanden seitdem Verhandlungen über ein Friedensabkommen statt. Zwar einigten sich Armenien und Aserbaidschan 2008 in diesem Rahmen auf bestimmte Prinzipien. Doch in den folgenden Jahren kam es immer häufiger zu militärischen Auseinandersetzungen, Aserbaidschan drohte mit einer militärischen Lösung des Konflikts. Mit Einnahmen aus Öl und Gas finanzierte es eine Modernisierung seiner Streitkräfte, die von der Türkei und Israel unterstützt wurde.
2020 musste Armenien weite Teile aufgeben
Im Herbst 2020 kam es zu einem neuen Krieg. Nicht zuletzt dank türkischer Drohnen eroberte Aserbaidschan Gebiete zurück, die die Armenier als Sicherheitszone rund um Bergkarabach besetzt gehalten hatten. Der Krieg endete nach sechs Wochen und dem Tod von 6.500 Menschen mit einem von Russland vermittelten Waffenstillstandsabkommen, das Armenien zur Aufgabe weiterer Gebiete zwang.
Russland, das lange Zeit Ordnungsmacht im Südkaukasus war, entsandte 2.000 Soldaten zur Überwachung des Waffenstillstands. Armenien hatte sich zu Beginn des Krieges noch auf Russland verlassen, sah sich aber zunehmend von dem ehemaligen Verbündeten im Stich gelassen. Dies verstärkte sich noch durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine.
Latschin-Korridor wurde blockiert
Trotz der Truppenpräsenz Russlands in der Region kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Beide Seiten machten sich gegenseitig dafür verantwortlich. Obwohl Aserbaidschan im Waffenstillstandsabkommen einen freien Personen- und Güterverkehr zwischen Armenien und Bergkarabach über den Latschin-Korridor zugesichert hatte, blockierten Aktivisten mit Billigung Aserbaidschans diese einzige Verbindungsstraße. Ende April errichtete Aserbaidschan einen Grenzkontrollpunkt. Seitdem wurden immer weniger Hilfskonvois durchgelassen.
Lebensmittel, Medikamente und Treibstoff wurden in Bergkarabach knapp. Die armenische Regierung warf Baku vor, eine humanitäre Katastrophe in der Enklave herbeizuführen. Appelle Armeniens an Russland, dagegen vorzugehen, waren erfolglos. Anfang September erklärte die aserbaidschanische Regierung die Wahl eines neuen Präsidenten in Bergkarabach für illegal.
Großangriff nach Tod von vier Polizisten
Allen Vermittlungsbemühungen Russlands, sowie der EU und der USA zum Trotz konnten sich die Regierungen in Eriwan und Baku auf keinen gemeinsamen Friedensvertrag einigen. Nach dem Tod von vier Polizisten und zwei aserbaidschanischen Zivilisten bei einer Minenexplosion in Bergkarabach startete Aserbaidschan am 19. September einen Großangriff auf die Enklave. Die Regierung in Baku sprach von "örtlich begrenzten Anti-Terror-Einsätzen" gegen armenische Separatisten. Aserbaidschan forderte die Auflösung der separatistischen Regierung in Bergkarabach und deren Truppen.
Die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft
Frankreich, traditionell mit Armenien eng verbunden, kündigte an, eine Krisensitzung des UN-Sicherheitsrats zu initiieren. Aus den USA hieß es, Außenminister Antony Blinken werde sich sehr wahrscheinlich an der Suche nach einer diplomatischen Lösung beteiligen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte, Bergkarabach sei Teil Aserbaidschans. Die Türkei unterstütze die Wiederherstellung der territorialen Einheit. UN-Generalsekretär António Guterres forderte ein "unverzügliches Ende" der Kämpfe und die "strengere Einhaltung des Waffenstillstands von 2020".
In einer früheren Version wurde die "Sicherheitszone" als 8.000 Quadratmeter groß bezeichnet. Wir haben den Abschnitt korrigiert.
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