EU-Gipfel in Rumänien Ein innerlich gespaltener Gastgeber
Beim EU-Gipfel in Sibiu will die EU Einigkeit demonstrieren. Der Gastgeber Rumänien ist aber alles andere als einig. Vor dem Gipfel treten die innenpolitischen Konflikte deutlich hervor.
Gestern Abend in Sibiu diskutierten Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit einigen Hundert Jugendlichen über Europas Zukunft. Mit Johannis - bis zu seiner Wahl 2014 lange Jahre Bürgermeister seiner Heimatstadt Sibiu - verstehen sich Juncker und die übrigen EU-Staats- und Regierungschefs ausgesprochen gut; mit der sozialdemokratischen Regierung in Bukarest außerordentlich schlecht.
Nicht allein Europa, sondern auch Rumänien befände sich in einer komplizierten Periode, analysiert Johannis. Die Regierung habe zweieinhalb Jahre nach ihrer Wahl den Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der Justiz angegriffen, sagt der Staatspräsident am Vortag des Gipfels gegenüber Vertretern der ihm nahestehenden Nationalliberalen Partei: Die Sozialdemokraten hätten es geschafft, der Welt und Europa ein hässliches Antlitz Rumäniens zu zeigen. "Das ist angesichts der Mühe und Arbeit, die es Rumänien gekostet hat, bis hierher an diesen Punkt zu gelangen, sehr schade."
Konflikte zwischen Regierung und Staatspräsident
In Rumänien, das turnusgemäß bis Ende Juni die halbjährige EU-Ratspräsidentschaft innehat, lässt die sozialdemokratische Regierung kaum einen Tag verstreichen, an dem sie nicht versucht, den Einfluss des bürgerlichen Staatspräsidenten einzudämmen.
Ministerpräsidentin Viorica Dancila nutzte jetzt mehrfach die Gelegenheit, um sich öffentlich darüber zu beklagen, dass sie nicht am EU-Gipfel teilnehme könne - wohlwissend, dass es Aufgabe des Staatspräsidenten ist, Rumänien bei derartigen Zusammenkünften zu vertreten: Sie habe so viel für Rumänien getan und sei jetzt nicht zum Gipfel eingeladen - das erscheine ihr unpassend, schimpfte Dancila.
Ein innenpolitisches Dauer-Dilemma
Der Parteichef der Sozialdemokraten, der wegen Wahlbetrugs verurteilte Parlamentspräsident Liviu Dragna, griff vor dem EU-Gipfel Gastgeber Johannis frontal an: "Johannis und seine Knechte sollen sich ja nicht einbilden, dass nur sie krakeelen und rumschreien dürfen. Wir können sehr gut unseren Leuten, die sehr irritiert sind, erlauben, Gegendemonstrationen zu veranstalten. Ich erwarte nicht, dass er diese Botschaft annimmt, weder er, noch die Clowns, die ihm folgen."
Dan Perjovschi, einer der international renommiertesten Künstler Rumäniens und Ehrenbürger Sibius, bringt das innenpolitische Dauer-Dilemma seines Landes auf den Punkt: "Nach der Diktatur hat Rumänien eine Verfassung angenommen, mit der die ganze Macht nicht allein einer Seite gegeben wird. Sie versucht, die Balance zu halten. Das scheint auf dem Papier eine gute Idee zu sein, doch manchmal funktioniert es nicht in der Realität." In der Realität liegen zwischen Staatspräsident Johannis und der sozialdemokratischen Regierung Welten.