Seehofer nach Innenministertreffen Bei EU-Asylreform "begründet zuversichtlich"
Bundesinnenminister Seehofer will während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die EU-Asylreform voranbringen. Nach einem informellen Treffen mit seinen Amtskollegen zeigt er sich dabei vorsichtig optimistisch.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat die EU-Staaten erneut auf die Seenotrettung von Migranten eingeschworen. "Alle Mitgliedstaaten sind bei der Migrationspolitik an einer nachhaltigen Lösung interessiert", sagte Seehofer nach einem informellen Treffen der EU-Innenminister. "Wir müssen wegkommen von ad hoc Lösungen, wie wir sie jetzt haben", so der Minister.
"Alle Länder eint das Ziel, dass wir weitere Todesfälle im Mittelmeehr verhindern wollen", so der Minister. Weiter müsse die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern in Nordafrika verstärkt und mehr legale Zuwanderung ermöglicht werden. Dazu sei eine weitere Konferenz am 13. Juli in Italien geplant. Unabdingbar dafür sei jedoch eine gemeinsame EU-Asylpolitik. Er hoffe, dass die EU-Kommission im September dazu einen Vorschlag vorlege. Nach der Diskussion sei er "begründet zuversichtlich, dass wir ein solches Regelwerk in Europa hinbringen können". Daran seien alle Mitgliedstaaten interessiert und zeigten sich konstruktiv.
Seehofer zuletzt noch skeptisch
Vor dem Gespräch hatte sich der Minister noch skeptisch über die Möglichkeit geäußert, eine gemeinsame Lösung des Problems zu finden: "Ich hoffe, dass wir heute Nachdenklichkeit und Handlungsbereitschaft erreichen. Es ist aber keineswegs gesichert."
Seehofer hatte dabei eindringlich an die EU-Staaten appelliert, die Verantwortung für die geretteten Menschen gerechter zu verteilen. Die aktuelle Situation sei "nicht würdig" für die EU. Bislang nehme nur ein verschwindend geringer Teil der EU-Staaten gerettete Menschen auf.
Seehofer will sich verstärkt der Migrationsfrage widmen
Das klappt schon seit Jahren nicht. Seehofer hatte sich zwar im September 2019 mit seinen Kollegen aus Malta, Italien und Frankreich auf eine Übergangsregelung verständigt, diese ist aber mittlerweile ausgelaufen. Zudem beteiligten sich nur wenige andere Länder wie Irland, Portugal und Luxemburg daran.
Unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die noch bis Ende des Jahres läuft, will Seehofer das ungelöste Problem nun erneut angehen. In dieser Zeit leitet er die Beratungen der Innenminister und kann die Tagesordnung beeinflussen. Der deutsche Minister erklärte, er habe "den Ehrgeiz", hierbei "einen großen Sprung" zu machen. Er wolle deshalb, dass seine Staatssekretäre ab Ende August "die Amtsgeschäfte des Innenministeriums" im Alltagsbereich "verstärkt selbst in die Hand nehmen".
"Bei mir ist nochmal ein richtiges Feuer heute entzündet worden", sagte der 71-Jährige nach den Beratungen. Er wolle sich "mit allem, was ich zur Verfügung habe", der Migrationsfrage auf EU-Ebene widmen. "Das erfordert viel an persönlichen Gesprächen, an Reisen innerhalb Europas." Deshalb wolle er Aufgaben innerhalb Deutschlands an seine Staatssekretäre abgeben.
Die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson, die die Länder ebenfalls dazu gedrängt hatte, eine nachhaltige Lösung zu finden, zeigte sich mit dem Verlauf des Gesprächs zufrieden: "Das war eine sehr gute Sitzung des Innenrats und eine gute Diskussion. Ich glaube, dies kann die Grundlage sein für wirkliche Fortschritte beim Thema Migration. Ich selbst bin zuversichtlich, dass die Kommission die Reformvorschläge für die europäische Asylpolitik im September vorlegt."
Unterstützung für Griechenland, Italien und Malta
Bis eine Reform vorliege, bräuchten vor allem die Länder Griechenland, Italien und Malta mehr Unterstützung, so Seehofer. Auch hier hätten sich die EU-Länder bereit erklärt, auf die ein oder andere Weise zu helfen. Der Minister kündigte weiter eine Konferenz am 22. und 23. Juli in Wien an, die sich mit den Entwicklungen auf der Westbalkanroute beschäftigen werde.
"Nicht nur eine Wirtschafts- sondern auch Wertegemeinschaft"
Wie dringlich die Themen Seenotrettung und Verteilung von Geretteten sind, hatten zuletzt Italien und Malta deutlich gemacht: Sie hatten in der Corona-Krise erklärt, den privaten Rettungsschiffen keinen sicheren Hafen mehr bieten zu können. Daraufhin waren an Bord solcher Schiffe immer wieder humanitäre Notlagen entstanden. Die Betreiber der "Ocean Viking" berichteten in der vergangenen Woche von einem Hungerstreik und mehreren Suizidversuchen. Nach tagelangem Warten durfte das Schiff mit 180 Migranten an Bord am Montag schließlich vor dem Hafen von Porto Empedocle auf Sizilien anlegen. In der Nacht zum Dienstag verließen die Migranten das Schiff, um auf eine Quarantänefähre zu wechseln.
Angesichts solcher Vorfälle appellierte Seehofer an die gemeinsamen Werte der 27 EU-Staaten: "Wir sind ja nicht nur eine Wirtschafts- und Sicherheitsgemeinschaft, sondern auch eine Wertegemeinschaft. Und zu dieser Wertegemeinschaft gehört nach meiner Überzeugung, dass man Menschen vor dem Tod rettet." Man könne die Aufnahme der Menschen auf Dauer nicht südlichen EU-Ländern wie Italien oder Malta überlassen.