Flüchtlinge in Griechenland Asylverfahren nicht für jeden
Einen Monat lang war das Asylrecht in Griechenland ausgesetzt, nun können Flüchtlinge wieder Anträge stellen. Davon ausgenommen: zahlreiche Migranten, die erst vor Kurzem die Grenze überquert haben.
Anfang März auf der Insel Lesbos: Die Polizei riegelt einen Teil des Hafengeländes mit Absperrgittern ab und hält dort alle neu ankommenden Flüchtlinge gefangen. Sie können nicht raus, aber sie können über mehrere Zäune hinweg denjenigen Flüchtlingen etwas zurufen, die schon lange auf Lesbos sind und hier am Hafen spazieren gehen - bis plötzlich ein Polizist auftaucht und die Flüchtlinge von den Zäunen fortjagt.
Die neu angekommenen Flüchtlinge sollten sofort abgesondert werden. Während der ersten Tage wurden sie in einem Marine-Schiff gefangen gehalten, das im Hafen von Lesbos lag. Viele Familien waren unter den Flüchtlingen, viele kleine Kinder.
Die griechische Marine hat diese Flüchtlinge inzwischen aufs Festland gebracht. Dort werden sie jetzt in geschlossenen Lagern festgehalten - insgesamt mehr als 2000 Menschen in provisorischen Abschiebegefängnissen. Die griechische Regierung will sie zurück in ihre Heimatländer bringen - nach Afghanistan, Pakistan, manche vielleicht auch zurück in die Türkei, wo sie zuletzt waren.
Regierung: Diese Menschen sind keine Flüchtlinge
Der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis sieht sich damit im Recht. Vergangene Woche sagte er im Parlament, diese Menschen seien gar keine Flüchtlinge, deshalb gelte für sie kein Asylrecht: "Nach internationalem Recht ist ein Flüchtling eine Person, die versucht, einer Gefahr zu entkommen. Hier aber sehen wir etwas anderes: Nämlich den organisierten Versuch eines Nachbarlandes, die Grenzen unseres Landes zu verletzten - und zwar indem Menschen an unsere Grenze geschickt werden, die gar nicht in Gefahr sind. Das ist der Unterschied. Deshalb haben wir diese Entscheidung getroffen."
Die Türkei habe quasi die griechische Grenze angegriffen, indem sie Tausende Migranten dorthin geschickt habe, so der Minister. Griechenland habe sich wehren müssen und deshalb das Asylrecht aussetzen dürfen.
Opposition: "Barbarische Maßnahmen"
Widerspruch kommt von der Opposition. Ioannis Mouzalas von der Linkspartei Syriza ist empört: "Das sind barbarische, antidemokratische Maßnahmen, von keinem Recht der Welt gedeckt. Und diese geplanten Abschiebungen ohne Verfahren - das sind Push-Backs. Das hat es so noch nie gegeben." Und zwar in keinem Land, sagt der Oppositionspolitiker, der bis zum Machtwechsel in Griechenland im vergangenen Sommer selbst Migrationsminister war.
Nun aber setzt in Griechenland die konservative Regierungspartei Nea Demokratia ihre harte Haltung in der Migrationspolitik durch - nicht nur gegen den Protest der Opposition, sondern auch gegen den Protest des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen, UNHCR. Boris Cheshirkov vertritt das Flüchtlingshilfswerk in Griechenland. "Wir sehen keinerlei rechtliche Grundlage dafür, das Asylrecht auszusetzen - weder in der Genfer Flüchtlingskonvention noch im EU-Recht."
Vor allem Kinder leider unter der Haft
Cheshirkov will nicht hinnehmen, dass die mehr als 2000 Flüchtlinge, die im März nach Griechenland kamen, keine Asylanträge stellen dürfen. "Wir haben mit einigen dieser Menschen gesprochen. Sie haben gesagt, dass sie Asyl beantragen wollen. Und ihnen muss ein faires Asylverfahren gewährt werden."
Es widerspreche auch internationalem Recht, die Menschen einfach so einzusperren, fügt Cheshirkov hinzu. Vor allem die Kinder würden unter der ungerechten Haft leiden. Cheshirkov will verhindern, dass das Schicksal dieser Flüchtlinge im Schatten der Corona-Krise in Vergessenheit gerät. Er verhandelt weiter mit der griechischen Regierung, damit sie aus den Abschiebegefängnissen freigelassen werden und ein Asylverfahren bekommen.