Neues Migrationskonzept der EU Eine Quote für Flüchtlinge
Die EU-Kommission will ihr neues Konzept zum Umgang mit Flüchtlingen und Migranten vorstellen. Es sieht vor, schutzbedürftige Flüchtlinge mithilfe einer Quote fair auf alle 28 EU-Staaten zu verteilen. Die Idee stößt auf heftigen Widerstand.
Von Karin Bensch, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Flüchtlinge sollen in der EU neu verteilt werden, so der Vorschlag, den die EU-Kommission machen wird. Der Druck steigt, weil immer mehr Menschen kommen - durch Kriege, Krisen und Armut. Das jetzige System kann sie nicht auffangen. Derzeit nehmen wenige Länder viele Menschen auf. Fast die Hälfte der Flüchtlinge gehen in nur vier Länder: nach Schweden, Deutschland, Frankreich und Italien. In Zukunft soll das anders werden. Die EU-Kommission fordert ein solidarisches System.
Jedes EU-Land soll Flüchtlinge aufnehmen
Bald soll jedes der 28 EU-Länder Flüchtlinge aufnehmen. Wie viele das pro Land sein werden, soll durch eine Quote festlegt werden. Die Quote soll die Wirtschaftskraft, Bevölkerungsgröße und die Arbeitslosenquote eines Landes mit einberechnen. Danach sollen reiche, große EU-Staaten mehr Flüchtlinge aufnehmen als kleine, ärmere Länder. Berücksichtigt werden soll auch, wie viele Flüchtlinge ein Land bereits aufgenommen hat. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz ist für die Quote. "Wenn sie ein Quotensystem haben und festlegen können, pro Jahr können soundso viele Leute in die und die Länder kommen, dann schaffen sie ein System der Hoffnung. Statt die Menschen in die Hoffnungslosigkeit und zum Teil in den Tod zu treiben."
Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière ist mittlerweile dafür, die Verteilung von Flüchtlingen in der EU über eine Quote zu regeln. "All das ist wichtig, aber es bedarf zum Teil Rechtsänderungen. Und muss gemacht werden."
Großbritannien, Ungarn und Polen bremsen
Muss gemacht werden. Könnte aber auch scheitern. Denn um eine verbindliche Quote rechtlich zu verankern, müssen alle 28 EU-Länder zustimmen. Einige haben jetzt schon gesagt, dass sie das nicht tun werden. Zum Beispiel Großbritannien, Ungarn und Polen. Damit sie "Ja" sagen, müsste man ihnen wohl Sonderregeln einräumen, so der EU-Parlamentspräsident: "Es liegt an den nationalen Regierungen, es liegt an Leuten wie David Cameron, die hier zum Rat angereist kommen und sagen, ja, ich schicke die Royal Navy dahin, die können Leute an Bord nehmen, aber wir bringen sie nach Italien." Für eine Neuverteilung der Flüchtlinge sind vor allem die Länder, die bereits viele Flüchtlinge aufgenommen haben. Wie zum Beispiel Deutschland.
Deutschland und Frankreich hoffen auf weniger Flüchtlinge
Bundeskanzlerin Merkel hatte erklärt, an Deutschland werde es nicht scheitern. Berlin erhofft sich wohl, durch eine Quote zunächst einmal nicht mehr, künftig vielleicht sogar weniger Flüchtlinge aufnehmen zu müssen. Aus Paris gibt es ähnliche Töne. Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve rief alle EU-Staaten auf, Asylsuchende aufzunehmen. Das derzeitige System belaste eine Reihe von Ländern über Gebühr. "Es ist jetzt wichtig, dass wir effizient handeln und uns den Problemen stellen. Und, dass wir gemeinsam Maßnahmen ergreifen, die sinnvoll sind."
Dublin-Abkommen bleibt erhalten
Die EU-Kommission will offenbar bis Ende des Jahres einen konkreten Vorschlag über ein Quotensystem vorlegen. Zwei Dinge sollen allerdings bleiben wie sie sind: Das Dublin-Abkommen bleibt erhalten. Ein Migrant wird weiterhin in dem Land registriert, in dem erst zum ersten Mal den Fuß auf europäischen Boden setzt. Mittelmeerländer wie Italien werden also weiterhin eine Transitroute bleiben.
Und: Es geht um schutzbedürftige Flüchtlinge, vor allem aus Bürgerkriegen wie zum Beispiel aus Syrien. Für Wirtschaftsflüchtlinge, unter ihnen vor allem junge Leute, die aus Afrika nach Europa kommen, um hier zu arbeiten, für sie hat die EU keine Lösung.