Anhörung im EU-Parlament Kommissare auf dem Grill
Die künftigen EU-Kommissare stellen sich ab heute dem Parlament. Die Rumänin Plumb und der Ungar Trocsanyi wurden gar nicht erst zu den Anhörungen zugelassen. Schon früher ließen die Abgeordneten Bewerber durchfallen.
Der Ton kann ganz schön ruppig werden, wenn es bei den Anhörungen der künftigen EU-Kommissare zur Sache geht. Ähnlichkeiten mit öffentlichen Hearings in Amerika, etwa vor dem US-Senat, sind kein Zufall. Um das rund dreistündige Kreuzverhör durch die EU-Abgeordneten heil zu überstehen, genügt es nicht, freundlich zu lächeln und mit ausreichend Fachwissen zu glänzen.
Die angehenden Kommissionsmitglieder müssen auch zeigen, dass sie persönlich und politisch integer sind und für die europäische Sache brennen. Ganz unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Parteibuch, wie der Fraktionschef der Christdemokraten, Manfred Weber, betont. "Deswegen kann ich die Kommissare nur bitten, ihre Hausaufgaben zu machen, zu lernen und sich fitzumachen für die Anhörungen. Wir werden sie grillen."
Dass die flapsige Bezeichnung "grillen" keine leere Floskel ist, beweist der Blick ins Archiv: Regelmäßig kam es bei früheren Anhörungen vor, dass ein Bewerber den Abgeordneten aus dem einen oder anderen Grund missfiel und noch auf der Zielgeraden strauchelte.
Der Rechtsausschuss im EU-Parlament lehnte die rumänische Bewerberin Rovana Plumb zweimal wegen Interessenskonflikten ab.
Abfällige Bemerkungen beendeten Buttigliones Karriere
So wie vor fünf Jahren Alenka Bratusek, die ehemalige Ministerpräsidentin von Slowenien. Bei ihr kam heraus, dass sie sich, kurz vor ihrem Abschied aus der Regierung, schnell noch selbst für die neue Kommission von Jean-Claude Juncker empfohlen hatte.
An ein prominenteres Opfer aus der Ära Barroso erinnert sich Jaume Duch, Sprecher des Europaparlaments. "Den Beweis, dass das keine banale Pflichtübung ist, finden wir in der Geschichte der Anhörungen", sagt er. "Ich glaube, jeder erinnert sich noch an die Krise rund um die Hearings von 2004, als das Parlament entschied, die Kandidatur des italienischen Bewerbers Buttiglione zurückzuweisen."
Gemeint ist Rocco Buttiglione, ein italienischer Christdemokrat mit besten Verbindungen zum Vatikan, dessen Geschichte bei EU-Kennern bis heute für ein anzügliches Grinsen sorgt. Unter dem damaligen Regierungschef Silvio Berlusconi war der distinguierte Jura-Professor mit der Nickelbrille Europa- und Kulturminister gewesen. Als Justizkommissar in spe rutschten ihm dann aber ein paar abfällige Bemerkungen über Homosexuelle und Frauen heraus, die seine Brüssel-Karriere beendeten.
Sexismus, gepaart mit Homophobie - in Buttigliones Heimat seinerzeit noch ein Kavaliersdelikt, in Brüssel ein No-Go. Italien musste seinen Personalvorschlag zurückziehen und entsandte den seriöseren Franco Frattini. Das EU-Parlament hatte gedroht, Barrosos gesamter Mannschaft beim entscheidenden Vertrauensvotum die Gefolgschaft zu verweigern.
Mangelnde Kompetenz und Interessenskonflikte
Etwas weniger Wirbel verursachten zwei andere Fälle: Die Lettin Ingrida Udre etwa wurde 2004 abgelehnt, weil sie sich zu euroskeptisch geäußert hatte. Der Ungar Laszlo Kovacs durfte das ihm zugedachte Portfolio Energie nicht übernehmen, weil er von der Materie offensichtlich zu wenig verstand.
2009 folgte schließlich die Causa Rumjana Schelewa: Die Bulgarin sollte in der Kommission für internationale Hilfsprojekte und Krisenmanagement zuständig sein, galt jedoch von Anfang an als Fehlbesetzung, zum einen wegen mangelnder Fachkompetenz, zum anderen wegen eines privaten Interessenskonflikts. Schelewa hatte versucht, dubiose Finanzgeschäfte ihres Ehemanns zu verheimlichen.
Das Parlament war "not amused" und senkte den Daumen - Wiederholung 2019 nicht ausgeschlossen, warnt der Grüne Daniel Freund. Er wünscht sich, dass die von von der Leyen versprochene unabhängige Ethikbehörde, die sowohl die Abgeordneten im europäischen Parlament als auch die Kommissare überwachen soll, möglichst schnell auf den Weg gebracht wird. "Sowohl in der Kommission als auch im Parlament sehen wir ja, dass immer wieder Fälle auftreten, und die sollten möglichst unpolitisch abgearbeitet werden."
Die Großen kommen meist davon
Die Geschichte der Anhörungen zeigt: Ein bis zwei Wackelkandidaten erwischt es fast jedes Mal. Schon allein deshalb, weil das EU-Parlament gerne die Muskeln spielen lässt. Auch im "Team von der Leyen" müssen sich einige Kandidaten auf eine scharfe Befragung einstellen.
Allerdings, auch das lehrt die Erfahrung: Bewerber aus größeren Mitgliedsstaaten kommen meist mit einem blauen Auge davon. Und völlig unparteiisch sind die selbsternannten "Grillmeister" in den Ausschüssen nicht.