Junckers Wutausbruch "Das EU-Parlament ist lächerlich"
Es war ein unerwarteter, aber dafür umso deutlicherer Wutausbruch Junckers am Morgen im EU-Parlament. Das Parlament sei lächerlich und er könne dort so keine Reden mehr halten, schimpfte der EU-Kommissionspräsident. Der Grund dafür lag direkt vor seinen Augen.
Gähnende Leere heute Morgen im EU-Parlament. Und das trotz der sich zuspitzenden Flüchtlingskrise und drohender Brenner-Sperrung durch Österreich, trotz der wichtigen Debatte über mehr Steuertransparenz für multinationale Konzerne. Gerade einmal 30 von 751 EU-Volksvertretern sind erschienen, um einem Premier und einem Präsidenten zu lauschen: Nämlich Joseph Muscat, dem Premier des kleinsten EU-Landes namens Malta, das gerade seine Ratspräsidentschaft beendet hat - und dem Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker.
Ein "lächerliches" Desinteresse
Und Letzterer kommt angesichts der kaum gefüllten Sitze gleich unverblümt zur Sache: Das EU-Parlament sei lächerlich, befindet Juncker kurz und bündig. Wenn der maltesische Premier Angela Merkel hieße oder Emanuel Macron, dann hätte man an diesem Morgen ein volles Haus. Angesichts des demonstrativen Desinteresses - auch ihm gegenüber - zeigt sich Juncker persönlich erbost. Sein Manuskript in der zur Faust geballten Hand malträtiert der Kommissionspräsident lautstark das Rednerpult und wiederholt gleich noch einmal mit Schwung seinen Wutslogan: Das EU-Parlament sei total lächerlich.
Diese Direktheit empört nun EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani. "Ich bitte Sie", herrscht der Parlaments- den Kommissionspräsidenten an. Zwar stehe es Juncker frei, das EU-Parlament zu kritisieren, aber noch kontrolliere das Parlament den Kommissionspräsidenten - und nicht Juncker das Parlament.
Parlamentspräsident liefert Retourkutsche
Doch Juncker zeigt sich von Tajanis Empörung wenig beeindruckt. Niemals mehr werde er vor einer derartigen Versammlung sprechen, kündigt Juncker im Tonfall persönlichen Beleidigtseins für den zweijährigen Rest seiner Amtszeit an. Zwar habe Tajani formal recht, die EU-Kommission werde vom Parlament kontrolliert. Aber das Parlament seinerseits müsse Respekt zeigen - und zwar auch vor den Regierungschefs kleinerer Staaten wie Malta. Doch genau diesen Respekt bleibe das Parlament schuldig, beendet Juncker seinen Wutausbruch im gespenstisch leeren Plenarsaal.
Die Direktheit Junckers empörte EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani.
Sein verbaler Ausbruch ist zugleich ein indirektes Kompliment an die EU-Magneten Merkel und Macron: Deutschlands Kanzlerin und Frankreichs Präsident würden sogar morgens um neun Uhr für ein vollbesetztes EU-Parlament in Straßburg sorgen. Und damit wohl auch für einen tiefentspannten Juncker. Dessen Weigerung vor leeren Rängen seine Rede zur Bilanz des maltesischen Präsidenten zu halten, sei ein Boykott des Parlamentes und für diese selbstgerechte und unangemessene Weigerung müsse sich der Kommissionspräsident entschuldigen, fordert der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold.
Tatsache ist: Juncker hat heute kurzzeitig das verloren, was ihn eigentlich auszeichnet - seine Coolness.