Juncker im U-Ausschuss "Vom Saulus zum Paulus"
EU-Kommissionspräsident Juncker hat Vorwürfe zurückgewiesen, er sei für massive Steuervergünstigungen in seiner Heimat Luxemburg verantwortlich. Vor dem Untersuchungsausschuss des Parlaments verwies er lieber auf die Verdienste seiner Kommission.
Von Sebastian Schöbel, ARD-Studio Brüssel
Trotz der neuerlichen Vorwürfe gegen ihn wurde Kommissionschef Jean-Claude Juncker ausgesprochen freundlich im EU-Parlament empfangen. CDU-Politiker Werner Langen, der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zu den PanamaPapers, mahnte jedenfalls gleich zu Beginn: "Wir haben nicht vor, heute jemanden anzuklagen."
Kritische Studie der Grünen
Und das trotz einer aktuellen Studie der Grünen. Die legt nahe, dass Luxemburger Banken es nicht nur Firmen, sondern auch Einzelpersonen ermöglicht haben, Geld vor dem Fiskus in Sicherheit zu bringen. Über Briefkastenfirmen in Steueroasen oder Versicherungsverträge. Und die Regierung Luxemburgs setzte sich dafür ein, EU-Regeln dazu aufzuweichen bzw. sich Ausnahmeregelungen zu sichern. Allein dem deutschen Staat seien dadurch 200 Millionen Euro verloren gegangen, heißt es in der Studie. Und das sei "konservativ gerechnet".
Juncker aber wies all das im EU-Parlament weit von sich. "Ich wusste nie - und weiß es auch jetzt nicht - wie viele Deutsche ihr Geld nach Luxemburg transportieren. Ich wusste auch nicht, wie viele Luxemburger ihr Geld in Deutschland untergebracht haben." Überhaupt seien die Finanzminister in der EU über die diversen Steuertricks gar nicht wirklich informiert, so Juncker, vieles erfahre man erst durch Enthüllungen wie die PanamaPapers oder LuxLeaks.
Kommission kämpft gegen Steuerflucht
Aber über die Vergangenheit in Luxemburg wollte der 62-Jährige ohnehin nicht reden. "Ich hätte gerne, dass man meine Glaubwürdigkeit nicht an dem misst, was ich - wie andere - als Land oder Regierung zu verantworten habe, sondern an der Glaubwürdigkeit dieser Kommission und daran, was sie jetzt tut." Und das sei schließlich eine ganze Menge.
Tatsächlich hat sich Juncker seit seinem Amtsantritt 2014 zum Vorkämpfer gegen Steuervermeidung gewandelt. Seine Kommission hat eine Vielzahl von Gesetzesinitiativen und Regulierungen auf den Weg gebracht: Für mehr Transparenz in Steuerfragen, strengere Auflagen für Firmen und die Schließung von Schlupflöchern. Eine EU-einheitliche Schwarze Liste der Steueroasen ist in Arbeit, sogar an das schwierige Thema Unternehmenssteuerreform traut sich Junckers Mannschaft ran.
Lob von Grünen
Selbst Kritiker, wie Grünen-Finanzexperte Sven Giegold, mussten zugeben: "Ich würde ganz klar sagen, sie sind ein Stück weit vom Saulus zum Paulus geworden. Sie haben Vorschläge vorgelegt, die viel stärker sind als das, was andere vorgelegt haben." Dennoch, so Giegold: Verantwortung habe Juncker bis heute nicht übernommen für das, was Luxemburg unter seiner Führung im Bereich Steuervermeidung getan habe.
Zumindest drei Zugeständnisse konnte Giegold Juncker aber abringen: 1.) Dass er sich dafür einsetzt, dass sich EU-Länder gegenseitig helfen werden, um Steuervermeider ausfindig zu machen, 2.) Dass mehr Personal für den Kampf gegen Finanzverbrechen aufgestellt wird, und 3.) Dass er als Kommissionschef die EU-Mitgliedsländer zwingen wird, sich bei strittigen Entscheidungen im Kampf gegen Steuervermeidung öffentlich zu bekennen. "Die Antwort auf ihre drei Fragen heißt dreimal: Ja", so Juncker.
Am Ende blieb der Eindruck: So gerne manche EU-Abgeordnete Juncker wegen seiner Zeit als Luxemburgs Finanzminister zur Verantwortung ziehen wollen, sie brauchen ihn heute als wohl mächtigsten Befürworter für mehr Steuergerechtigkeit. Wie schwierig das ist, zeigte sich im Ausschuss allerdings auch. Auf die Frage, ob die geplante Schwarze Liste der EU zu Steueroasen auch EU-Länder beinhalten wird, sagte Juncker nur: Nein. Denn wenn die EU-Regeln richtig umgesetzt werden, gäbe es sowas in Europa gar nicht.