EU-Gipfel in Rumänien Merkel ruft zu Geschlossenheit auf
Zwei Wochen vor der Europawahl machen sich die 27 EU-Staaten bei einem Gipfel Mut. Doch in der Realpolitik liegen die Länder über Kreuz - besonders ein Vorstoß des französischen Präsidenten Macron sorgt für Uneinigkeit.
Es soll so etwas wie ein Neuanfang werden. Ein Aufbruch in eine neue Zeit - als Zeichen, dass es die Europäische Union auch ohne Großbritannien schafft. Vielleicht sogar besser. Aber die Briten sind noch drin in der EU. In Sibiu sind sie trotzdem nicht dabei. Es ist ein Gipfel der 27 Übrigen.
Überschattet wurde das Treffen zur Zukunft der EU von der neuen Eskalation zwischen den USA und dem Iran wegen des Atomabkommens, der die EU mehr oder weniger hilflos zusehen muss. Im Inneren der Union wachsen sich die Wahlerfolge rechter Populisten, die das europäische Projekt am liebsten beerdigen wollen, zu einer schweren Belastung aus. Überdies zerstreiten sich die EU-Staaten in der Frage nach einer Digitalsteuer, einem gemeinsamen Budget für die Euro-Staaten oder einer neuen europäischen Industriepolitik, um China etwas entgegen zu setzen. Zu allem Überfluss zanken sie zwei Wochen vor der EU-Wahl um die Vergabe von Spitzenjobs in Brüssel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel rief die Staatengemeinschaft schon zu Beginn des Gipfels zu Geschlossenheit auf. "Die Welt schläft nicht", sagte die CDU-Politikerin. Sie betonte die symbolische Bedeutung des Gipfels 30 Jahre nach der Wende in Osteuropa. Unbeschadet aller politischen Unterschiede seien alle in der EU überzeugt, dass gemeinsames Handeln besser sei. Die EU müsse sich im internationalen Wettbewerb behaupten. "Wir müssen innovativ sein, wir müssen stark sein, wir müssen geeint sein. Und dafür werden wir heute werben."
"Vereint durch dick und dünn"
Zumindest auf dem Papier fruchtet der Appell der Kanzlerin an die EU-Mitgliedstaaten. Sie verabschiedeten eine Erklärung zu den Grundwerten und Prinzipien, die die künftige Zusammenarbeit der Länder umreißt. Dort heißt es, dass die Regierungschefs "vereint durch dick und dünn gehen" wollen und sich "in Notzeiten untereinander solidarisch zeigen". "Wir bekräftigen unsere Auffassung, dass wir in dieser immer unbeständigeren und schwierigeren Welt geeint stärker sind", hieß es in der Erklärung von Sibiu. Als eines der Hauptziele werden dabei Schutz und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger genannt.
Die EU-Staaten wollen dabei "dem Grundsatz der Gerechtigkeit stets Geltung verschaffen, sei es auf dem Arbeitsmarkt, bei der Wohlfahrt, in der Wirtschaft oder beim digitalen Wandel", hieß es. "Wir werden Ungleichheiten zwischen uns weiter abbauen und wir werden immer den Schwächsten in Europa helfen, wobei wir die Menschen über die Politik stellen."
Zudem müsse Europa "seine globale Führungsrolle verantwortungsbewusst wahrnehmen". Dabei werde es für den Erhalt einer "regelbasierten internationalen Ordnung" eintreten. Ziel sei es dabei insbesondere, "neue Handelsmöglichkeiten optimal auszuschöpfen und globale Fragen wie die Bewahrung unserer Umwelt und die Bewältigung des Klimawandels gemeinsam anzugehen".
Klimafrage sorgt für Dissens
Doch ausgerechnet der Streit um den richtigen Kurs beim Klimaschutz demonstrierte schon vor dem Gipfel die Zerrissenheit der EU. Acht EU-Länder unter Führung Frankreichs hatten dazu aufgerufen, den Klimaschutz zum Kernaspekt der EU-Strategie bis 2024 zu machen. Die Unterzeichner fordern sofortige Schritte, um den Ausstoß an Treibhausgasen spätestens bis zum Jahr 2050 auf netto null zu senken. Künftig sollen demnach 25 Prozent der EU-Ausgaben dazu genutzt werden, um dieses Ziel zu erreichen. Deutschland und die übrigen Staaten weigerten sich aber, dieser Strategie zuzustimmen.
Macron (mi.) will den Kampf gegen den Klimawandel ins Zemtrum stellen.
Besonders deutliche lehnte Österreichs Kanzler, Sebastian Kurz, Macrons Klimainitiative ab. Er werde das Vorhaben nicht unterstützen, "weil wir den Weg, auf Atomkraft zu setzen, für vollkommen falsch erachten". Sein Land wolle im Kampf gegen den Klimawandel auf erneuerbare Energien setzen.
EU-Sondergipfel zu Spitzenposten
Am Rande des Gipfels in Sibiu bestätigte EU-Ratspräsident Donald Tusk, dass sich die Staats- und Regierungschefs am 28. Mai zu einem Sondergipfel treffen, um unmittelbar nach der Europawahl (23.-26. Mai) mit der Auswahl des neuen EU-Kommissionspräsidenten zu beginnen.
Bei dem Treffen in knapp drei Wochen dürfte es erste Hinweise geben, ob der CSU-Politiker Manfred Weber eine Chance hat, Chef der mächtigen EU-Behörde zu werden. Es wird aber mit einem wochenlangen Streit gerechnet. Gesucht werden auch ein neuer Ratspräsident und Kandidaten für mehrere weitere Spitzenposten.