Corona-Hilfspaket EU-Gipfel geht in die Verlängerung
Nach ein paar Stunden Schlaf nehmen die Staats- und Regierungschefs einen neuen Anlauf bei den Beratungen über das Corona-Hilfspaket. Viele Fragen sind noch ungeklärt. Kanzlerin Merkel hält ein Scheitern für möglich.
Der EU-Sondergipfel zum Milliardenplan gegen die Corona-Krise soll am Mittag fortgesetzt werden. Das Treffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs wurde am späten Abend zunächst unterbrochen. Viele Aspekte des geplante Hilfsfonds sind noch hoch umstritten.
Kanzlerin Angela Merkel hält ein Scheitern des Sondergipfels für möglich. Am Vormittag sagte sie beim Eintreffen zum dritten Beratungstag: "Es gibt viel guten Willen. Aber es gibt auch viele Positionen. Und so werde ich mich mit dafür einsetzen. Aber es kann auch sein, dass es heute zu keinem Ergebnis kommt." Der dritte Gipfeltag sei sicherlich der entscheidende Verhandlungstag, hob Merkel hervor.
Bei dem Gipfel in Brüssel geht es um ein Finanz- und Krisenpaket von gut 1,8 Billionen Euro: ein schuldenfinanziertes Konjunktur- und Investitionsprogramm gegen die Corona-Krise im Umfang von 750 Milliarden Euro und den neuen siebenjährigen EU-Haushaltsrahmen im Umfang von mehr als einer Billion Euro. Damit will die EU die wirtschaftliche Rezession in den Mitgliedsländern abmildern. Nicht alle EU-Länder sind mit diesem Plan einverstanden - die Positionen liegen weit auseinander.
"Sparsame Vier" wollen weniger Zuschüsse
Am Sonntagvormittag brachte ein neuer Vorschlag des EU-Ratschefs Bewegung in die bis dahin festgefahrenen Gespräche. Michels Kompromissvorschlag ging vor allem auf die Forderungen der "Sparsamen Vier" ein - Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark. Der Ratschef blieb zwar bei 750 Milliarden Euro Hilfsgeldern. Doch würden nicht 500 Milliarden, sondern nur 450 Milliarden Euro als Zuschuss an EU-Staaten vergeben und dafür 300 Milliarden Euro statt 250 Milliarden als Kredit. Die "Sparsamen Vier" haben grundsätzliche Bedenken gegen Zuschüsse - und sie wollen die Summe eigentlich noch weiter zusammenstreichen.
Besonders weitreichende Forderungen stellt der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. An ihn richtet sich der Punkt, einen neuen Mechanismus zur Kontrolle der Auszahlung von Hilfsgeldern einzuführen, genannt die "Super-Notbremse". Rutte hatte verlangt, dass Empfänger von EU-Hilfen Reformen nicht nur zusagen, sondern sie bereits vor der Auszahlung umsetzen müssen. Dabei wollte Rutte jedem Land ein Vetorecht geben.
"Super-Notbremse" soll die Niederlande zufriedenstellen
Nun lautet die Idee: Ein oder mehrere Mitgliedstaaten können bei Zweifeln oder Unzufriedenheit mit dem Reformstand den EU-Ratschef einschalten. Dieser beauftragt dann den Europäischen Rat oder den Rat der Wirtschafts- und Finanzminister mit einer Prüfung. Auf diese Weise könnte die Auszahlung bis zu einer "zufriedenstellenden Befassung" zeitweise aufgehalten werden, heißt es in einem Papier Michels.
Die niederländische Regierung reagierte positiv. Trotzdem wurde weiter über Einzelheiten verhandelt. Besonders weit von der Position der Niederlande entfernt ist Italien. Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte nannte die Verhandlungen in einer Videobotschaft auf Facebook unerwartet hart.
Veto-Drohung Ungarns
Ein weiterer Konfliktherd ist eine Veto-Drohung Ungarns. Für den nächsten EU-Haushaltsrahmen, der Teil der Verhandlungen ist, hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, die Auszahlung von EU-Mitteln an die Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsländern zu knüpfen. Ungarn und Polen fühlen sich davon angegriffen.
Ungarn warnt nun, es könnte eine Einigung beim Gipfel blockieren, sollte an diesem Passus festgehalten werden. "Politische Vorbedingungen" für den Erhalt von EU-Mitteln "können nicht akzeptiert werden", schrieb der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs auf Twitter. EU-Diplomaten zufolge wurde das sensible Thema noch nicht verhandelt.