Nach britischem Antrag EU berät über Brexit-Verschiebung
Stimmen die EU-Staaten einer weiteren Verschiebung des Brexit-Termins zu? Schon heute wird erstmals über den Antrag aus London beraten. Skeptisch klingt besonders der französische Präsident Macron.
Nach dem britischen Antrag auf Verschiebung des EU-Austritts beraten heute die Vertreter der anderen 27 EU-Staaten über ihre Reaktion auf die Entwicklung im Brexit-Streit. EU-Ratspräsident Donald Tusk bestätigte am Abend, dass aus London der Antrag auf eine Fristverlängerung eingegangen sei, nachdem zuvor das Unterhaus in London die Abstimmung über das vorliegende Austrittsabkommen verschoben hatte.
Er werde mit den Staats- und Regierungschefs der EU nun über das weitere Vorgehen sprechen, teilte Tusk mit. In Brüssel kommen bereits am Vormittag die EU-Botschafter der Mitgliedsländer zusammen.
Macron gegen Brexit-Verzögerung
Einer erneuten Brexit-Verschiebung müssten die Staats- und Regierungschefs der verbleibenden EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Dazu müsste Tusk einen Sondergipfel einberufen. Möglich wäre dies bis zum 31. Oktober, wenn Großbritannien nach bisheriger Rechtslage automatisch aus der EU austritt - ob mit oder ohne Abkommen.
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron ließ erneut seinen Widerwillen gegen eine Verlängerung des Brexit-Dramas durchblicken. Er habe in einem Telefongespräch mit dem britischem Premier Boris Johnson betont, dass nun eine "rasche Klärung der britischen Position zum Abkommen" nötig sei, teilte Macrons Büro mit. Dem britischen Premier habe er zudem gesagt: "Eine Verzögerung wäre in niemandes Interesse."
Frankreichs Präsident Macron hat nach eigener Aussage kein Interesse an einer Brexit-Verzögerung.
Dennoch schien sich in der EU eher eine Zustimmung für einen weiteren Aufschub für Großbritannien abzuzeichnen. Der Chef der Brexit-Steuerungsgruppe im Europaparlament, Guy Verhofstadt, wies darauf hin, dass es nun eng mit dem Ziel werde, den Deal noch vor dem 31. Oktober von den EU-Abgeordneten billigen zu lassen. Daher könnte eine kurze Verschiebung erforderlich sein.
Drei Schreiben aus Brüssel
Die Regierung Johnson hält am Austrittstermin 31. Oktober fest, obwohl sie gestern im Unterhaus eine weitere Abstimmungsniederlage erlitt. Die Mehrheit der Abgeordneten votierte dafür, die Abstimmung über das Austrittsabkommen mit den von Johnson ausgehandelten Änderungen zu vertagen, bis die Gesetze zur Umsetzung des Vertrags im Parlament beschlossen worden sind.
Weil bis zum gestrigen Tag keine Zustimmung des Unterhauses zum Austrittsabkommen vorlag, war die Regierung Johnson gesetzlich gezwungen, eine weitere Fristverlängerung um drei Monate zu beantragen. Zunächst traf bei Tusk am Abend dieser Antrag auf die Verschiebung des Brexit-Termins ein, der aber nicht von Johnson unterzeichnet war. Kurz darauf folgte ein klärendes Schreiben des britischen EU-Botschafters Tim Barrow, der darauf hinwies, dass der Antrag auf Verschiebung von Johnson bewusst nicht unterzeichnet worden war, da die britische Regierung "vom Gesetz her" zu dem Antrag verpflichtet war. Zuletzt erhielt Tusk ein von Johnson unterzeichnetes Schreiben, in dem sich dieser persönlich gegen die Verschiebung des Brexit-Termins aussprach.