Unterhaus in London Bercow stoppt Votum über Brexit-Deal
Der Brexit-Deal kommt heute nicht zum zweiten Mal im britischen Unterhaus zur Abstimmung. Das entschied Parlamentspräsident Bercow. Die Regierung will nun stattdessen das Gesetzespaket zum Brexit direkt durchdrücken.
Der britische Parlamentspräsident John Bercow hat die Regierungspläne durchkreuzt, das Parlament heute erneut über den neuen Brexit-Vertrag abstimmen zu lassen. "Über den Antrag wird heute nicht debattiert, da dies eine Wiederholung und ordnungswidrig wäre", sagte Bercow im Unterhaus. Der Antrag sei "substanziell der gleiche" wie am Wochenende.
Er berief sich dabei unter anderem auf ein Gesetz aus dem 17. Jahrhundert - das er vor Monaten bereits genutzt hatte, um eine von der damaligen Premierministerin Theresa May gewünschte Abstimmung abzulehnen.
Regierung will Gesetzespaket durchbringen
Das Unterhaus hätte eigentlich schon am vergangenen Samstag in einer Sondersitzung über den Brexit-Deal abstimmen sollen. Die Parlamentarier stimmten stattdessen aber für einen Änderungsantrag, der den Premier dazu zwang, bei der EU einen weiteren Brexit-Aufschub zu beantragen. Zudem soll zunächst das für den Brexit nötige Gesetzespaket vom Parlament verabschiedet werden. So wollen die Abgeordneten ausschließen, dass es versehentlich doch noch zu einem ungeregelten Brexit am 31. Oktober kommt.
Da bereits abzusehen war, dass es nicht zu einer Abstimmung kommen würde, kündigte die Regierung nach Bercos Entscheidung umgehend an, das Gesetzespaket zum Brexit im Parlament durchzusetzen. Das wäre eigentlich erst der zweite Schritte nach der Grundsatzentscheidung des Unterhauses - dem sogenannten Meaningful Vote - gewesen.
Hier hat Premier Boris Johnson laut Beobachtern prinzipiell gute Chancen, da eine Mehrheit der konservativen Tory-Rebellen für das Gesetzespaket stimmen könnte. Allerdings kündigte die Opposition bereits Änderungsanträge an. Vor allem die Absicht, das Vereinigte Königreich in der Zollunion zu halten, ist dabei der schwierigste. Das würde London verbieten, eigene Handelsverträge mit anderen Staaten zu verhandeln. Sollte dieser Zusatzantrag durchkommen, "dann kann Johnson seinen Deal gleich zerreißen, denn das bekommt er beim rechten Flügel seiner Partei niemals durch", so ARD-Korrespondentin Annette Dittert.
Verlängerung beantragt - aber nur widerwillig
Johnson hatte - einem Gesetz folgend - einen Brexit-Aufschub am Wochenende schriftlich in Brüssel beantragt. Er machte in einem weiteren Schreiben aber klar, dass er keine Verschiebung will und beabsichtigt, den mit der EU vereinbarten Austrittsvertrag bis Ende Oktober durch das britische Parlament zu bringen. Nur diesen Brief unterschrieb Johnson.
Für die EU spielt das aber keine Rolle: Sie sieht den Antrag auch ohne Unterschrift als gültig an, wie eine EU-Kommissionssprecherin sagte.
Das EU-Parlament erklärte derweil, man wolle nicht über das ausgehandelte Brexit-Abkommen abstimmen, bevor eine Entscheidung aus London vorliegt. "Das EU-Parlament wird das Abkommen erst ratifizieren, wenn die Ratifizierung im Vereinigten Königreich abgeschlossen ist", sagte ein Parlamentssprecher in Straßburg mit Verweis auf eine entsprechende Entschließung vom September.
Das Brexit-Abkommen müsste vom EU-Parlament in einer Plenarsitzung angenommen werden. Plenarsitzungen sind vor dem derzeitig geplanten Austrittsdatum Großbritanniens, dem 31. Oktober, nur noch diese Woche in Straßburg angesetzt. Für eine spätere, rechtzeitige Abstimmung müsste eine außerordentliche parlamentarische Vollversammlung in Brüssel einberufen werden.