Brexit-Debatte Rücktrittsgerüchte und viele Vorschläge
Mindestens sechs Brexit-Optionen - und das in 16 Varianten. Darüber wird heute im britischen Unterhaus abgestimmt. Über die Zukunft der Premierministerin wird weiter spekuliert.
Andrea Leadsom ist die Ministerin der Regierung für die Beziehungen zum Parlament. Konkret heißt das in der britischen Parlamentstradition, dass sie die Tagesordnung bestimmt. Nun hat aber das Unterhaus selbst das Heft des Handelns an sich gezogen, und Leadsom kann nur noch zusehen.
Das mache ihr große Sorgen und gehe weit über den Brexit hinaus. "Natürlich kann das Parlament alle Vorlagen prüfen und ergänzen und verwerfen, aber die Regierung betreibt das Geschäft, und nicht Leute, die nicht dafür gewählt wurden", so Leadsom. Zudem seien die Beschlüsse - wenn es überhaupt zu welchen komme - rechtlich nicht bindend.
Unterstützung von Hardlinern?
Die Regierung wirbt weiterhin für das Abkommen, das sie mit der EU abgeschlossen hat. Paradoxerweise sind die Chancen dafür durch die jüngste Entwicklung wieder leicht gestiegen, denn bei den Brexit-Hardlinern wächst die Bereitschaft, das Abkommen doch noch zu unterstützen.
Einer der bekanntesten Gegner, Jacob Rees-Mogg von der Hardliner-Fraktion, entschuldigt sich schon dafür, dass er seine Meinung geändert hat, aber er habe keine andere Wahl. "Wir sehen einen Versuch von konservativer Seite, den Brexit insgesamt anzuhalten. Gesetzlich sollten wir die EU eigentlich an diesem Freitag verlassen, mit oder ohne Abkommen. Die Regierung hat das aber gestoppt, zusammen mit dem Parlament." Man stehe deshalb vor der sehr unbefriedigenden Wahl zwischen dem Abkommen von Frau May, mit dem man "immerhin raus" sei, oder verschiedenen anderen Plänen, mit denen man womöglich in der EU bliebe.
Allerdings macht Rees-Mogg seine Zustimmung davon abhängig, dass auch die nordirische DUP dem Abkommen zustimmt. Die wiederum hat das bislang kategorisch abgelehnt, ist jedoch weiterhin im Gespräch mit der Regierung.
Weiterhin Kritik an Premierministerin May
Auch Boris Johnson, Ex-Außenminister und flamboyante Lichtgestalt des Brexit-Lagers, deutet Bewegung an, fordert aber einen Preis. "Wenn Leute wie ich dieses Abkommen unterstützen sollen, dann müssen wir sicher sein, dass die zweite Phase der Verhandlungen anders angegangen wird als die erste." Im Klartext: May muss weg, die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen muss ein Hardliner führen.
Wenn die Debatte am Nachmittag beginnt, wird es voraussichtlich um mindestens ein halbes Dutzend Optionen für eine andere Brexit-Strategie als die von Theresa May gehen. Eingereicht wurden 16 Vorschläge, das Abkommen von May mit der EU befindet sich nicht darunter.
Während der Debatte wird sich die Regierungschefin mit dem einflussreichen 1922er-Komitee ihrer Partei treffen. Spekuliert wird darüber, ob sie dann ein konkretes Rücktrittsdatum anbietet, im Gegenzug für die Zustimmung zu ihrem Deal. Möglicherweise wird über diesen Deal dann doch noch morgen oder übermorgen abgestimmt.