Abstimmung im Unterhaus London sucht seinen Brexit-Favoriten
Wie weiter mit dem EU-Austritt? Das Unterhaus stimmt heute über verschiedene Varianten ab - doch selbst das garantiert keine Lösung. Immer mehr Briten sind damit unzufrieden.
Hilary Benn ist der Chef des Brexit-Ausschusses im britischen Unterhaus und seit 20 Jahren Abgeordneter. In Verfahrensfragen ist er sehr erfahren. Jetzt versucht er zu erklären, wie das Unterhaus zu einer Entscheidung kommt.
Erst einmal, sagt Benn, würden die verschiedenen Vorschläge für eine Brexit-Strategie gesammelt. "Und dann kommen die auf den Stimmzettel für die Abgeordneten. Sie können bei jedem Vorschlag mit Ja oder Nein votieren, sie können so viele Vorschläge unterstützen, wie sie möchten, und am Ende haben wir dann heute Abend ein Ergebnis."
Vielleicht aber auch noch nicht. Deshalb gibt es jetzt schon Überlegungen, das Verfahren auch noch in der nächsten Woche fortzusetzen. Mit den Abstimmungen sucht das Unterhaus nach seinem Brexit-Favoriten. Ob das am Ende ein Ausstieg ohne Abkommen sein wird, eine Rücknahme des Austrittsantrags oder womöglich doch der Deal von Theresa May, das kann niemand vorhersagen.
DUP: "Keine Chance, dass wir unsere Meinung ändern"
Die Premierministerin hat allerdings schon betont: Wir sind nicht daran gebunden - vor allem nicht, wenn da etwas rauskommt, was wir gar nicht wollen. So gehe es ja nun auch nicht, entgegnet Benn: "Wenn wir wirklich aus der Krise rauskommen wollen - und es ist eine echte Krise - dann muss auch die Regierung zu Kompromissen bereit sein."
Zu keinerlei Kompromissen bereit ist bislang die nordirische DUP. An ihren zehn Stimmen hängt die Mehrheit der konservativen Regierung - wenn überhaupt alle eigenen Abgeordneten mit ihr stimmen.
Die DUP lehnt das Abkommen mit der EU wegen des Backstops ab, der Rückfallregelung für Nordirland. "Keine Chance, dass wir unsere Meinung ändern, solange nicht das Abkommen selbst geändert wird", sagt Parteimitglied Sammy Wilson. Das jedoch hat die EU bereits mehrfach kategorisch ausgeschlossen.
Ein Brexit-Gegner posiert mit Marionetten von May und Corbyn vor dem Parlament (Archivbild). Immer weniger Briten haben für das regelrechte Kasperltheater in London Verständnis.
Großteil der Briten unzufrieden mit der Situation
Die Briten außerhalb des Regierungsviertels Westminster haben immer weniger Verständnis für das, was da in London passiert. Es sei doch eigentlich alles ganz klar, sagt Rob aus Cardiff: "Je eher wir raus sind, desto besser." Der Mann macht nicht viel Federlesens um Fragen wie "Deal oder kein Deal?" und "Verschiebung oder zweites Referendum?". "Wir haben für Austritt gestimmt, also raus jetzt", findet Rob.
Harriett aus Watford ist dagegen für den Verbleib in der EU. Sie ist von der Regierung enttäuscht: "Sie haben das sehr schlecht gemacht. Am Ende ist jetzt eigentlich nichts erledigt. Ein Plan, in dem alles und nichts drin ist", findet sie. "Das ist überhaupt nicht gut gelaufen."
Zoe aus Ebbw Vale würde am liebsten sofort raus aus dem europäischen Club, auch ohne Abkommen. Die Streithähne im Unterhaus findet sie nur noch lächerlich: "Sie sind wie kleine Kinder. Ich weiß, wie das ist, ich habe selbst vier. Ich hätte denen Beine gemacht", sagt sie. "Das sollte hier auch mal passieren. Wie um Himmels Willen können die unser Land regieren?"
Ein neuer Premierminister würde wenig ändern
80 Prozent der Briten finden, dass die Regierung den Brexit schlecht organisiert hat. Mehr als 60 Prozent halten nichts von dem ausgehandelten Abkommen.
Ob sie aber für ein zweites Referendum sind, das hängt davon ab, wie man sie fragt. Wenn es einfach nur darum geht, ob abgestimmt werden soll oder ob nicht, dann sind 47 Prozent dafür und 35 Prozent dagegen. Wenn die Frage dagegen lautet, ob es nochmal ein Ja-Nein-Referendum wie 2016 geben soll, dann sind nur 39 Prozent für eine erneute Abstimmung und 48 Prozent dagegen.
Michael Heseltine, stellvertretender Premier unter John Major, fordert beides: Einen Kompromiss im Unterhaus und dann eine Abstimmung im Volk. "Das Unterhaus wird einen Kompromiss suchen, der aber der Regierung nicht gefallen wird", sagt er. "Ich finde, dann sollte es eine Volksabstimmung geben zwischen dem, was das Unterhaus vorschlägt, und einem Verbleib in der EU."
Der Premierministerin gibt Heseltine zwar keine lange Zeit mehr im Amt - aber mit einem Austausch an der Spitze sei es ja auch nicht getan: "Ein Wechsel des Sängers ändert nichts, wenn Du nicht auch den Song wechselst."