Debatte zu Brexit "Vertrauen Sie dem Volk!"
Eigentlich sind viele britische Abgeordnete gegen den Brexit. Doch soll das Parlament dem Mehrheitswillen der Bürger folgen und dem EU-Austritt zustimmen, fordert Brexit-Minister Davis. Vor der heutigen ersten Entscheidung rangen die Abgeordneten noch einmal leidenschaftlich.
Gerade einmal 137 Wörter enthält einer der wohl folgenreichsten Gesetzentwürfe der britischen Geschichte: Stimmen die Parlamentarier mehrheitlich zu, dann geben sie Premierministerin Theresa May grünes Licht dafür, nach Artikel 50 des Lissabon-Vertrages den europäischen Partnern den britischen Austrittswunsch zu übermitteln.
Nicht mehr und nicht weniger sagte zu Beginn der Debatte ein etwas heiserer Brexit-Minister David Davis: Die Briten hätten sich beim Volksentscheid für den EU-Austritt entschieden, es gebe daher kein Zurück mehr, keine Verzögerung im Zeitplan, mahnte Davis. Jetzt richteten sich die Augen der Nation auf das Parlament. "Vertrauen Sie dem Volk!", rief der Minister den Abgeordneten zu.
Abweichler in der Labour-Partei
Für Labour machte Brexit-Schattenminister Keir Starmer deutlich, dass die größte Oppositionspartei vor einer sehr schwierigen Entscheidung stehe: Zwei Drittel der Labour-Abgeordneten verträten Wahlkreise, die für den Brexit gestimmt haben; ein Drittel dagegen Wahlkreise, die für den EU-Verbleib waren.
Auch wenn Labour eine klar internationalistische und pro-europäische Partei bleibe, so Starmer, respektiere man das demokratische Votum des Volksentscheids.
Parteichef Jeremy Corbyn hat deshalb Fraktionszwang verordnet, um den Brexit-Beginn nicht zu blockieren. Es dürften jedoch bei der ersten Abstimmung über den Gesetzentwurf am Mittwoch womöglich ein paar Dutzend Labour-Parlamentarier davon abweichen.
Einer der letzten Europäer unter den Konservativen
Bei den regierenden Tories regt sich nur vereinzelt Wiederstand, etwa beim früheren Minister Kenneth Clarke - vielleicht einer der letzten überzeugten Europäer in seiner Partei. Er hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für die britische EU-Mitgliedschaft und sagte, er fühle sich weiter einzig und allein seinem Gewissen verpflichtet.
Auch die Schottische Nationalpartei SNP würde den Brexit am liebsten verhindern, hatten doch die Schotten mehrheitlich dagegen gestimmt. Ihr Abgeordneter Alex Salmond, früher schottischer Ministerpräsident, warf der Regierung May vor, ohne Not den Austritt auch aus dem Binnenmarkt anzustreben, noch ehe die Verhandlungen begonnen haben.
Eine Mehrheit für einen Brexit-Stopp ist allerdings nicht absehbar und auch keine für die Anträge der Opposition, auf einen wirtschaftlich milderen EU-Austritt zu drängen. So feierten die euroskeptischen Hinterbänkler der Tories bereits, dass sie mit diesem Gesetz ihrem politischen Lebensziel wieder ein Stück näher rücken.
Die Brexit-Debatte soll bis Mitternacht dauern. Sie geht am Mittwoch und endet mit einer ersten Abstimmung. Aber erst wenn auch das Oberhaus zugestimmt und die Queen das Gesetz unterschrieben hat, kann Premierministerin May mit dem Brexit loslegen