Indigene Völker in Brasilien In doppelter Bedrängnis
Die indigenen Völker in Brasilien sind durch die Zerstörung der Wälder und die Corona-Pandemie gleich doppelt betroffen. Aber die Regierung Bolsonaro kümmert das wenig.
Von Ivo Marusczyk, ARD-Studio Buenos Aires
Brasiliens Regierung muss endlich Maßnahmen ergreifen, um die indigenen Völker gegen das Coronavirus zu schützen. So hat es jetzt der Oberste Gerichtshof des Landes entschieden.
Und damit letztlich allen Recht gegeben, die warnen, der indigenen Bevölkerung drohe eine Katastrophe. So spricht etwa das katholische Hilfswerk Misereor von der Gefahr, dass einige Völker ganz ausgelöscht werden könnten: "Denn die Bundesregierung hat keine Präventivmaßnahmen getroffen und hat keinen Notfallplan, um die Indigenen zu schützen und gegen das Virus in den indigenen Gebieten Brasiliens vorzugehen", sagt auch Antonio Oliveira, der Generalsekretär des Indigenen-Missionsrats CIMI.
Die Indigenen geraten derzeit doppelt in Bedrängnis: Zum einen durch die Pandemie, zum anderen durch die Zerstörung der Wälder - denn nach wie vor gibt es immer mehr illegale Rodungen und andere verbotene Aktivitäten in den eigentlich streng geschützten Reservaten. Beto Marubo vertritt die Indigenen im Javari-Tal, einer abgelegenen Region im Westen Brasiliens, wo noch viele Stämme isoliert leben, ohne Kontakt zur Außenwelt:
Mitten in der Pandemie sehen wir so viele Eindringlinge wie noch nie in unseren Gebieten. Selbst dort, wo früher kaum jemand hinkam. Aber das hat jetzt aus zwei Gründen zugenommen: Wegen der Pandemie haben die Behörden die Dinge schleifen lassen. Außerdem wurde ein Mitarbeiter der Indigenen-Behörde in unserer Region ermordet. Daraufhin hat die Behörde die Kontrollen eingestellt, solange die Sicherheit nicht garantiert ist. Das hat den Ausschlag in einer Gegend gegeben, in der es mehr isolierte Völker gibt als irgendwo sonst.
Desinteresse der Regierung?
Und auch er beklagt das Desinteresse der Regierung in Brasília an den Sorgen der Ureinwohner des Landes. Sie gehe weder gegen Goldsucher noch gegen Holzfäller oder Viehzüchter vor, die den Wald roden. Und gegen die Ausbreitung des Virus auch nicht - wobei beide Probleme oft Hand in Hand gehen.
"Die Bekämpfung der Pandemie interessiert die Bundesregierung nicht, sie behauptet ja, dass all diese Probleme im Amazonasgebiet gar nicht existieren", so Marubo. "Das sei nur Alarmismus, vage Anschuldigungen der Nichtregierungsorganisationen. Es sei eigentlich gar nicht so, sagen sie. Und Resultat sind die größte Abholzung und die größte Zahl an Eindringlingen überhaupt in den Reservaten", fügt Marubo hinzu.
Brände deutlich zugenommen
Immerhin hat Bolsonaro reagiert und die Armee in die Wälder entsandt, um dafür zu sorgen, dass sich die Brände in diesem Jahr nicht so stark ausbreiten, wie im vergangenen Jahr. Doch die letzten Daten zeigen, dass die Brände deutlich zugenommen haben.
Der Militäreinsatz sei eine reine Showveranstaltung, sagt José Carlos Meirelles, der 40 Jahre lang für die Behörde gearbeitet hat, die für die indigene Bevölkerung zuständig ist.
Das passiert nur, weil einige große Investoren aus dem Ausland und einige brasilianische Unternehmer sich beschwert haben. Sie machen sich Sorgen angesichts der Abholzung in Amazonien und weil immer mehr Goldsucher und so weiter in indigene Gebiete eindringen. Aber der Militäreinsatz ist nur Inszenierung, nur Theater.
Viele indigene Völker haben sich tief in ihre Gebiete zurückgezogen und meiden Kontakte nach draußen. Trotzdem hat Corona längst auch viele ihrer Dörfer erreicht.