Keiko Fujimori tritt bei einer Kundgebung auf die Bühne
Porträt

Keiko Fujimori Perus Möchtegern-Präsidentin

Stand: 01.07.2022 03:00 Uhr

Ihre Niederlage bei der Präsidentschaftswahl in Peru will die Politikerin Fujimori nicht akzeptieren. Lieber raunt sie von Betrug und nennt Sieger Castillo einen Kommunisten. Das Land wird so weiter destabilisiert.

Von Ivo Marusczyk, Buenos Aires

"Nein zum Betrug" und "Respektiert meine Wahl!" ist auf den Plakaten zu lesen, die Anhänger von Keiko Fujimori zu einer Demonstration mitgebracht haben: Sie glauben nicht, dass bei der Auszählung alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Und die Kandidatin, die nach den offiziellen Zahlen zum dritten Mal in Folge eine Stichwahl ganz knapp verloren hat, heizt die Stimmung noch an, indem sie Betrug andeutet: "Es haben sich einige Unregelmäßigkeiten ereignet und wir glauben es ist wichtig, sie nachzuweisen", raunte sie.

Ihre Partei rufe die Bürger auf, herauszufinden, ob es noch weitere Ungereimtheiten gegeben habe. Und das, obwohl internationale Wahlbeobachter keinerlei Hinweise für Manipulationen oder andere Unregelmäßigkeiten bei der Wahl sehen. Doch ähnlich wie der frühere US-Präsident Donald Trump im Bundesstaat Georgia verlangt Fujimori, die Stimmen aus bestimmten Wahlbezirken nicht gelten zu lassen.

Fujimori will teilweise Annullierung der Ergebnisse

Ihre Partei "Fuerza Popular" hat bei der Nationalen Wahlkammer die Annullierung der Ergebnisse aus 802 Wahlbezirken beantragt - das entspricht etwa 200.000 Stimmen, was bei dem hauchdünnen Vorsprung ihres Gegners Pedro Castillo reichen würde, um an seiner statt Fujimori ins Präsidentenamt zu bringen.

Sie findet es verdächtig, dass sie bei Prognosen und zu Beginn der Auszählung zunächst vorn lag und die Tendenz erst ganz am Schluss kippte: Erst als fast alle Stimmen ausgezählt waren, lag ihr Gegner Castillo vorn. Was sich allerdings auch dadurch erklären lässt, dass Ergebnisse aus abgelegenen ländlichen Gebieten zuletzt in Lima eintrafen - und dort, auf dem Land, hat der Linke Castillo die größte Zustimmung.

Tochter des Autokraten Fujimori

Die Auszählung ist längst zur Hängepartie geworden. Das politisch zerrissene Peru, das seinen Politikern schon lange nicht mehr traut, wartet seit dem 6. Juni darauf zu erfahren, wer das Land künftig regiert.

Erstaunlich ist dabei aber nicht nur Castillos knapper Wahlsieg, sondern auch, dass Fujimori, wieder in die Stichwahl kam - und wieder, wie zuletzt im Jahr 2016, nur ganz knapp mit rund 49,9 Prozent der Stimmen scheitert. Das wäre in anderen Ländern kaum vorstellbar.

Denn zum einen ist sie die Tochter des Autokraten Alberto Fujimori, der Peru in den Neunzigerjahren zeitweise diktatorisch regierte. Zum anderen dürfte sie tief im Odebrecht-Korruptionssumpf stecken, dem großen Schmiergeld-Skandal Lateinamerikas. Ihr Vater regierte zunächst demokratisch, entmachtete dann das Parlament und griff mit äußerster Brutalität gegen die maoistische Guerillaorganisation "Leuchtender Pfad" durch. Fujimori schickte Todesschwadronen ins Land, die Tausende Zivilisten töteten, er wurde wegen Menschenrechtsvergehen verurteilt. Außerdem hat er dafür gesorgt, dass Zehntausende indigene Frauen gegen ihren Willen sterilisiert wurden.

Alberto Fujimori, ehemaliger Präsident von Peru, nimmt an einer öffentlichen Anhörung teil.

Keiko Fujimoris Vater Alberto regierte Peru in den Neunzigerjahren diktatorisch (Archivbild von 2018).

Wahlkampf in Untersuchungshaft

Seine Tochter Keiko war damals schon nahe an der Macht. Sie nahm nach der Scheidung ihrer Eltern die Rolle der First Lady an der Seite ihres Vaters ein. Die Verstrickung in den Odebrecht-Schmiergeldskandal hat sie immer von sich gewiesen: Sie habe nie Geld von Odebrecht oder dessen Firma angenommen, sei völlig unschuldig und habe ein reines Gewissen, wiederholte die 46-Jährige erst vor wenigen Tagen in einer Anhörung.

Nach der Wahl wäre sie fast wieder im Gefängnis gelandet: Der oberste Korruptionsermittler des Landes versuchte vergeblich, einen neuen Haftbefehl zu erwirken. Die Vorwürfe gegen sie sind aber so konkret, dass sie schon 16 Monate in Untersuchungshaft saß und selbst im Wahlkampf die Hauptstadt nur mit einer Sondererlaubnis der Ermittlungsbehörden verlassen durfte.

Vor diesem Hintergrund wirkt es reichlich seltsam, dass ausgerechnet sie im Wahlkampf versprach, mit einer ganzen Serie neuer Maßnahmen gegen Korruption vorzugehen. Jahrelang hatte sie versucht, mit Law and Order-Versprechen zu punkten. Nach ihrer knappen Niederlage 2016 nutzte sie ihre Parlamentsmehrheit, um Präsident Pedro Pablo Kuczynski möglichst viele Steine in den Weg legen. Das war ein Fehler, wie sie inzwischen eingesteht - denn damit trägt sie eine Mitverantwortung für die politische Instabilität, die Peru mit vier Präsidenten in fünf Jahren in den letzten Jahren erlebte.

Angst vor Kommunismus gezielt geschürt

Im Wahlkampf trat Fujimori diesmal sanfter auf, versuchte auch Wähler in der Mitte zu erreichen, versprach drei Millionen Arbeitsplätze, Sozialprogramme und sogar mehr Umverteilung: "Ich schlage einen Volkshaushalt vor. 40 Prozent der Abgaben werden direkt an die Bevölkerung verteilt, liebe Freunde!"

Doch ihr wichtigstes Argument ist und bleibt, man müsse ein Linksregime wie in Venezuela verhindern - gemeint ist natürlich eine Regierung ihres Gegners Castillo. "Wollt Ihr denn den Kommunismus? Wollt Ihr ein Peru nach dem Modell von Maduro und Chavez? Ein Land, in dem Gewalt herrscht und in dem freie Meinungsäußerung verfolgt wird?", drohte sie - und rückt Castillo dabei auch gern in die Nähe der Terroristen, die Peru in den Neunzigerjahren heimsuchten.

Dass sie selbst nicht bereit ist, ihre erneute Niederlage hinzunehmen, dürfte Peru weitere unruhige Jahre bescheren.