Wahlbeobachter in der Türkei Von fairen Bedingungen weit entfernt
Internationale Beobachter haben sich beeindruckt gezeigt von der hohen Wahlbeteiligung in der Türkei. Doch sie mahnen unfaire Wahlkampfbedingungen und Schwierigkeiten bei der Stimmabgabe an.
"Die Türkei erfüllt nicht die Grundprinzipien demokratischer Wahlen", so lautet das Urteil des SPD-Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe, der die Wahlbeobachterdelegation des Europarats leitet.
Als Verstoß gegen Grundprinzipien demokratischer Wahlen wertet er etwa: "Zentrale politische und gesellschaftliche Akteure sitzen entgegen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Gefängnis. Die Medienfreiheit ist stark eingeschränkt und es herrscht ein Klima der Selbstzensur. Die Türkei ist weit entfernt von fairen Wahlkampfbedingungen."
Faire Bedingungen wären nach Ansicht der internationalen Wahlbeobachter zum Beispiel gleiche Möglichkeiten, für sich zu werben. Stattdessen sei etwa Druck auf die Grüne Linkspartei YSP gemacht worden. Ihre Anhänger und Unterstützer seien teils eingeschüchtert worden, beklagt Jan Petersen vom Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte.
Mehr Sendezeit für Erdogan
Für Präsident Recep Tayyip Erdogan dagegen seien die Bedingungen bestens gewesen, sagt Fara Karimi, Leiterin der Delegation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE: "Bei diesen Wahlen genossen der amtierende Präsident und die Regierungsparteien unfaire Vorteile."
Vor allem in den Medien habe Erdogan diese Vorteile genossen, sagt Schwabe. Das habe er beim regierungstreuen staatlichen Sender TRT selbst sehen können: "Wenn ich einen Wahlkampf beobachte, schalte ich immer den Fernseher ein. Auch wenn ich die Sprache nicht verstehe, bekomme ich einen Eindruck. Und wenn ich TRT einschalte, habe ich den Eindruck, dass der Präsident sehr präsent war", sagt Schwabe.
Niedrigere Wahlbeteiligung in Erdbebengebieten
Positiv beeindruckt zeigten sich die internationalen Wahlbeobachterinnen und Beobachter dagegen von der hohen Wahlbeteiligung. Rund 89 Prozent der Wahlberechtigten in der Türkei haben abgestimmt. Das sind rund drei Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren.
Niedriger lag die Wahlbeteiligung in den Erdbebengebieten, stellt Karimi fest, wo zumeist noch zwischen 80 und 85 Prozent der Wahlberechtigten abstimmten. "Es ist besorgniserregend, dass die Wahlbeteiligung in den vom Erdbeben betroffenen Gebieten geringer war, was darauf hindeutet, dass viele Menschen nicht wählen konnten. Im Falle einer zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen hoffen wir, dass konkrete Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass jeder sein Wahlrecht ausüben kann", sagt Karimi.
Ein Grund für die niedrigere Wahlbeteiligung könnte im türkischen Wahlrecht liegen: Man muss an seinem Meldeort wählen, eine Briefwahl gibt es nicht. Doch nach den Beben haben Millionen Menschen die Katastrophenregion verlassen. Weil sich nur die wenigsten umgemeldet haben, müssten die meisten Menschen für die Wahl zurückkehren - und das, sagt Karimi, sei für Viele auch eine psychische Herausforderung.
Als Herausforderung hat das Wahlbeobachterteam auch die Auszählung am Wahlabend gesehen. Immer wieder wurde in einigen Wahllokalen nachgezählt. Das bot Raum für Gerüchte und Spekulationen, sagt Schwabe. Er wünsche sich mehr Transparenz - für ihn ein Grundprinzip demokratischer Wahlen.