Thailand Machtkampf nach der Wahl
Der Wahlausgang in Thailand war eindeutig. Doch ob Wahlsieger Pita wirklich an die Macht kommt, bleibt unklar. Denn das Militär hat Strukturen geschaffen, die das verhindert könnten. Profitieren würden Dritte.
Die progressive Oppositionspartei Move Forward hat die Wahl in Thailand vor knapp drei Wochen gewonnen, dicht gefolgt von der Oppositionspartei Pheu Thai. Damit haben die Wähler die konservativen Militär-Parteien abgewählt, die seit einem Putsch im Jahr 2014 an der Macht sind. Nach seinem Wahlsieg lässt sich Pita Limjaroenrat auf Bangkoks Straßen feiern. Der 42-jährige Spitzenkandidat von Move Forward ist der Überraschungssieger.
Der Harvard-Absolvent setzt sich sofort mit anderen Oppositionsparteien zusammen. Gemeinsam unterschreiben sie wenige Tage später eine Absichtserklärung. Die acht Parteien wollen ein neue Regierungskoalition bilden. Zusammen haben sie eine Mehrheit von 312 der 500 Sitze im Abgeordnetenhaus. Symbolisch fassen sich die Parteivertreter auf der Bühne an den Händen. Die Stimmung ist euphorisch.
Auch das Datum hat Bedeutung - es ist der neunte Jahrestag des Militärputsches. "Viele Thailänder hoffen, den Coup von 2014 und damit die Zeit der Militärregierungen hinter sich zu lassen", sagt Politikwissenschaftler Termsak Chalermpalanupap vom ISEAS-Yusof Ishak Institut in Singapur. "Die Wähler haben genug von den alten Generälen, die schon zu lange an der Macht sind."
Das Wahlergebnis zeige deutlich, der alte Regierungschef Prayuth Chan-o-cha sei abgewählt. Seine Partei bekam nur 36 der 500 Sitze. Die neue Regierungskoalition werde demokratischer und progressiver sein als die alte. Doch ob der Wahlsieger in Zukunft das Land regieren wird, ist unklar.
Wie entscheidet der Senat?
Denn in Thailand entscheiden neben den 500 neu gewählten Abgeordneten auch 250 Senatoren über den neuen Regierungschef. Diese 250 Senatoren gelten als treu gegenüber dem Militär, sagt Celine-Agathe Caro, Leiterin des Bangkoker Büros der Konrad-Adenauer Stiftung. "Und viele gehen davon aus, dass sie Parteien aus der Opposition für die Wahl des Premierministers nicht unterstützen werden."
Der Senat wurde nach dem Putsch vom Militär eingesetzt. Viele Senatoren sind um die 60 bis 70 Jahre alt, ehemalige Armeegeneräle oder Bürokraten. "Sie sind sehr starrköpfig", sagt Rechtswissenschaftler Khemtong Tonsakulrungruang von der Chulalongkorn-Universität in Bangkok. Druck auf sie auszuüben, könne sogar kontraproduktiv sein.
Die Regierungskoalition der acht Oppositionsparteien unter Pita Limjaroenrat bräuchte die Stimmen von 64 der 250 Senatoren, um den Regierungschef stellen zu können. Beobachter gehen davon aus, dass sie vielleicht zehn bis 20 Stimmen aus den Reihen der Senatoren bekommen werden.
Mehrere Senatoren haben bereits öffentlich erklärt, dass sie nicht für Wahlsieger Pita stimmen werden. Aus Ihrer Sicht gefährden seine Reformpläne die Monarchie und die Stellung des Militärs. Der Senat ignoriere damit den Willen des Volkes, kritisieren Demokratieaktivisten.
Pheu Thai könnte mit Militär-Partei koalieren
In der Vergangenheit wurden Oppositionsparteien aufgelöst, Regierungen gestürzt oder Spitzenkandidaten juristisch aus dem Weg geräumt. Derzeit laufen Ermittlungen gegen den Wahlgewinner Pita Limjaroenrat. Er habe seine Aktienanteile an einem 2007 geschlossenen TV-Unternehmen nicht offengelegt. In Thailand ist es verboten, Aktien von Zeitungen oder Medienhäusern zu besitzen, wenn man als Abgeordneter kandidiert. Sollte Pita verurteilt werden, würde er seinen Sitz im Parlament verlieren und sein Traum vom Regierungschef wäre geplatzt.
Das wäre die Chance für die Partei Pheu Thai, die bei der Wahl auf dem zweiten Platz landete. Ihre Spitzenkandidatin war die 36-jährige Paetongtarn Shinawatra, die Tochter des ehemaligen und umstrittenen Premierministers Thaksin Shinawatra. Pheu Thai legte sich im Wahlkampf nicht fest und schlug gemäßigtere Töne an als Move Forward. Sie könnte daher sogar mit den alten Militär-Parteien koalieren.
Mit deren Stimmen und den Stimmen des Senats hätten sie eine Mehrheit in beiden Kammern. Eine solche Koalition hat Pheu Thai bisher immer wieder abgelehnt, aber Politikwissenschaftler halten den Deal für möglich. Viele ihrer Anhänger dürften diesen Schritt zwar kritisch sehen, aber würde ihre Regierung stabilisieren und der Partei mehr Macht als in einer Koalition mit Move Forward verleihen, sagt Rechtswissenschaftler Tonsakulrungruang.
Es garantiert, dass es keinen Staatsstreich geben wird, weil das Militär bereits Teil der Koalition ist und sich im System verschanzt hat. Kurzfristig ist das ideal für die Wirtschaft, für die Stabilität der Politik, aber langfristig ist das nicht gesund für die Demokratie.
Sorge vor erneuter Machtübernahme des Militärs
Das Militär und die Monarchie seien nach wie vor stark in der Gesellschaft verankert. Und die Monarchie habe großen Einfluss auf die Justiz, so Tonsakulrungruang. Die Parteien hätten daher zu Recht Sorge, aufgelöst zu werden, wenn sie von Militär und Monarchie als Existenzbedrohung wahrgenommen werden.
Diese Sicht teilt Politikwissenschaftler Termsak Chalermpalanupap vom politischen Forschungsinstitut ISEAS. "Früher oder später wird die konservative Seite zurückschlagen. Die Straßenproteste könnten wieder beginnen, und wir kehren zum alten Zyklus zurück. Chaos, Blutvergießen, das Militär übernimmt."
Entscheidung im August
Wahlgewinner Pita hingegen ist zuversichtlich. Andere Länder hätten es auch geschafft, aus diesem Kreislauf auszubrechen. Er mache sich nicht zu große Sorgen, sei allerdings auch nicht naiv. Für ihn sei der Wahlerfolg seiner Partei erstmal ein bedeutender Schritt, sagt er bei der feierlichen Unterzeichnung der Absichtserklärung für die zukünftige Koalition. "Es zeigt, dass es der thailändischen Gesellschaft gelungen ist, durch das parlamentarische System friedlich zur Demokratie zurückzukehren."
Die Abstimmung über den neuen Regierungschef soll Anfang August stattfinden. Sollte Pita vorher disqualifiziert werden oder die Senatoren im August gegen den Willen eines Großteils des Volkes stimmen, wird es in Thailand vermutlich wieder zu Straßenprotesten kommen.
Klar ist, der alte Regierungschef Prayuth Chan-o-cha ist abgewählt. Die neue Regierung wird demokratischer und progressiver sein als die alte. Offen ist wie radikal der Neuanfang wird.