Wahlen in Thailand Bringen die Jungwähler die Demokratie zurück?
Viele, die vor drei Jahren in Thailand gegen Regierung und für Reformen demonstrierten, dürfen diesen Sonntag erstmals wählen. Knapp 40 Prozent der Wähler sind unter 40 - und könnten den Ex-General an der Macht stürzen.
Der 32-jährige Piyarat Chongthep, genannt Toto, läuft mit einem Megafon und einem Stapel Wahlbroschüren durch die Straßen Bangkoks. Er kandidiert für Move Forward, eine junge Partei, die viel in Thailand verändern möchte.
Im Sommer 2020 war er einer von zehntausenden jungen Menschen, die in Bangkok protestiert haben - für mehr Demokratie, weniger Macht fürs Militär und eine Reform der Monarchie. "Aber ich habe gemerkt", sagt er, "dass meine Stimme keinen Einfluss hat. Da wir keine Gewehre und Waffen haben wie das Militär, können wir nichts ändern. Wir brauchen die Hilfe der Menschen, die uns demokratisch die Macht geben, etwas zu verändern."
General Prayuth Chan-ocha putschte sich im Jahr 2014 mit dem Militär an die Macht. In Umfragen liegt er nun nur auf Platz drei.
Putsch-General seit 2014 an der Macht
Seit einem Putsch im Jahr 2014 steht General Prayuth Chan-o-cha an der Spitze des Staates. 2019 wurde er offiziell zum Ministerpräsidenten gewählt, mit Hilfe einer Verfassungsänderung und des Rückhalts von Militär und Monarchie.
Die Vorgängerpartei von Move Forward, Future Forward, wurde kurz danach vom Verfassungsgericht aufgelöst und verlor rund ein Drittel ihrer Abgeordneten. Der damalige Parteichef Thanathorn Juangroongruangkit sieht es gelassen.
"Wir wurden bereits einmal aufgelöst, aber wir stehen immer noch. Das ist nichts, wovor wir Angst haben müssen", sagt er der ARD. Seit der Auflösung seiner Partei darf er zehn Jahre lang kein politisches Amt ausüben. Aber er unterstützt die neu gegründete Move-Forward-Partei beratend.
Oppositionsparteien führen in Umfragen
In Umfragen des staatlichen Forschungsinstituts NIDA liegt Move Forward mit 33 Prozent auf Platz zwei, hinter der größten Oppositionspartei Pheu Thai. Im Ranking der beliebtesten Spitzenkandidaten liegt Move Forward mit ihrem charismatischen Kandidaten Pita Limjaroenrat sogar auf dem Spitzenplatz. Wo er auftritt, wird er gefeiert wie ein Rockstar. Der aktuelle Premierminister Prayuth Chan-o-cha liegt weit abgeschlagen auf Platz drei.
"Das signalisiert uns frischen Wind, dass Menschen einen echten Wandel wollen und schwierige Reformen", sagt der ehemalige Parteichef Thanathorn Juangroongruangkit. Die junge Partei will zum Beispiel eine Reform des Paragrafen zur Majestätsbeleidigung.
Forderung nach bislang undenkbaren Reformen
Denn wer sich in Thailand kritisch über den König äußert, dem drohen 15 Jahre Haft. Aktuell wird gegen mindestens 240 Menschen ermittelt, auch gegen Toto: Ihm drohen wegen mehrerer Fälle mehr als 50 Jahre Haft. Die meisten Parteien trauen sich daher nicht, das Thema im Wahlkampf anzusprechen, da sie keine Auflösung riskieren wollen.
Die Straßenproteste der Demokratieaktivisten haben bereits nachhaltig etwas im Land verändert. Bei Wahlduellen im Fernsehen wird über die Monarchie diskutiert, sogar über das Budget fürs Königshaus. Im Kino stehen nicht mehr alle auf, wenn kurz vor Filmbeginn die Hymne des Königs gespielt wird. Vor den großen Demokratieprotesten im Jahr 2020 war das noch undenkbar.
40 Prozent sind Jungwähler
Dieses Jahr haben sich gleich mehrere junge Aktivisten entschieden, für eine der beiden großen Oppositionsparteien zu kandidieren. Zudem dürfen viele junge Menschen, die vor drei Jahren auf die Straße gegangen sind, dieses Wochenende das erste Mal wählen. Die Generation der Millennials und die Generation Z stellen rund 40 Prozent der Wahlberechtigten.
Einer von ihnen ist der 32-jährige Cafébesitzer Pakornpot Khananurak aus dem Norden des Landes. Er wünscht sich ein Ende der Militärregierung. "Ich denke, diese Wahl ist der Anfang, das Land demokratischer zu machen", sagt er. Doch er sieht auch die Gefahr, dass die junge Partei erneut aufgelöst wird.
Ihr Wahlprogramm ist eine Bedrohung für die konservativen Machtzentren in Thailand, also Monarchie, Richter und hochrangige Bürokraten, die jahrzehntelang in Thailand das Sagen hatten. Für den Politikwissenschaftler Prajak Kongkirati von der Thammasat-Universität gibt es dennoch kein Zurück. Die konservative Elite des Landes könne die neue Generation nicht mehr loswerden.
Move Forward ist besonders in den Städten erfolgreich. Einige Programmpunkte sprechen dabei insbesondere die Jungen an, etwa die Abschaffung der Wehrpflicht oder mehr Rechte für LGBTQ-Menschen. Doch für die junge Generation ist vor allem eines wichtig: eine Rückkehr zur Demokratie, in der jene Partei den Premierminister stellt, die die meisten Stimmen erhält. Und nicht die Partei, die dem Militär am nächsten steht.