Auszählung der Parlamentswahl Opposition vor Wahlsieg in Thailand
Bei der Parlamentswahl in Thailand bahnt sich ein klarer Erfolg der Opposition an. Nach Auszählung der Stimmen in 99 Prozent der Wahllokale ist die Partei des amtierenden Regierungschefs und einstigen Putsch-Generals Prayut weit abgeschlagen.
Bei der Parlamentswahl in Thailand haben die Wählerinnen und Wähler mit überwältigender Mehrheit für die Opposition und damit für ein Ende der Militärregierung gestimmt. Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen kommt die oppositionelle "Move Forward"-Partei laut Wahlkommission auf insgesamt etwa 150 Sitze im 500-köpfigen Parlament.
Den zweiten Platz belegt mit wahrscheinlich rund 140 Sitzen die ebenfalls oppositionelle Partei Pheu Thai unter Führung der 36-jährigen Paetongtarn Shinawatra. Sie ist Spross einer reichen Politiker-Dynastie. Vor der Wahl hatte Peu Thai bei Umfragen lange vorne gelegen. Das regierende Militär, das nach einem Putsch 2014 an die Macht gekommen war, fuhr hingegen herbe Verluste ein. Die Wahlbeteiligung war mit mehr als 75 Prozent so hoch wie selten zuvor.
Prayut könnte trotzdem an der Macht bleiben
Pita Limjaroenrat, der Spitzenkandidat der "Move Forward"-Partei, erklärte auf Twitter, er sei bereit, der nächste Ministerpräsident Thailands zu werden. Seine Partei setzt sich unter anderem für eine Abschaffung der Wehrpflicht und eine Reform der Monarchie ein.
Das südostasiatische Urlaubsland hat das wohl härteste Lèse-Majesté-Gesetz der Welt. Wer sich derzeit kritisch über die Monarchie äußert, dem drohen bis zu 15 Jahre Haft. Dagegen gibt es schon lange Proteste.
Koalition ohne die Militärregierung?
"Wir haben genug Sitze, um alle Gesetzesreformen durchzusetzen, die wir wollen, und die Regierung wird eine Koalition sein, wie wir sie versprochen haben - ohne die vom Militär unterstützten Parteien", sagte Limjaroenrat der Nachrichtenagentur Reuters.
Doch sicher ist dies nicht. Die beiden größten Oppositionsparteien haben nicht genügend Sitze, um allein eine Mehrheit zu bilden. Sie müssen mit anderen Parteien eine Koalition eingehen. Denkbar ist, dass Pheu Thai, die zweitgrößte Oppositionspartei, mit Parteien aus der jetzigen Militärregierung zusammengeht.
"Das wäre die Garantie, dass es nicht erneut einen Coup gibt", sagte Rechtswissenschaftler Khemthong Tonsakulrungruang von der Chulalongkorn Universität in Bangkok. "Da das Militär Teil der Koalition, des Systems bleibt. Auf kurze Sicht ist das ideal für die Wirtschaft, für die Stabilität der Politik. Aber auf lange Sicht ist es nicht gesund für die Demokratie."
Regierungschef wird von Abgeordneten und Senatoren gewählt
Der Regierungschef wird in Thailand gemäß der 2017 unter der damals herrschenden Militärjunta verabschiedeten Verfassung nicht nur von den 500 Abgeordneten gewählt, sondern auch von den 250 vom Militär bestimmten Senatoren. Regierungschef wird also, wer insgesamt mindestens 376 Stimmen auf sich vereint - somit reichen für einen militärnahen Kandidaten voraussichtlich nur 125 Stimmen aus dem Repräsentantenhaus.
Die Senatoren gelten als loyal gegenüber dem früheren Oberkommandierenden des thailändischen Heeres, dem heutigen Ministerpräsidenten Prayut, der sich einst an die Macht putschte. Eine Entscheidung darüber, wer das Land führen wird, könnte Wochen oder sogar Monate dauern.
"Altes System und Liberalisierung"
Experten sehen in der Parlamentswahl ein Kräftemessen zwischen konservativen und fortschrittlichen Kräften. So sprach Ben Kiatkwankul von der Maverick Consulting Group von einem Machtkampf zwischen dem alten System und einer von der Opposition angekündigten Liberalisierung.
Seit neun Jahren wird Thailand vom Militär oder von einem vom Militär unterstützten Kabinett regiert. Innerhalb von acht Jahren stürzte das Militär zweimal Regierungen, die unter Kontrolle der Milliardärsfamilie Shinawatra standen. Die Familie ist auch treibende Kraft hinter der Partei "Pheu Thai" mit ihrer Spitzenkandidatin, der 36-jährigen Paetongtarn Shinawatra.
Sie ist die jüngste Tochter des ehemaligen und umstrittenen Premierministers Thaksin Shinawatra, der 2006 durchs Militär gestürzt wurde. 2014 ereilte ihre Tante Yingluck das gleiche Schicksal.
Mit Informationen von Jennifer Johnston, ARD-Studio Singapur