Flüchtlingslager in Bangladesch Das Leben der Rohingya nach dem Feuer
Auf engstem Raum lebt etwa eine Million Rohingya in Bangladesch. In ihrem Heimatland Myanmar wurden sie verfolgt, doch die Zukunft der muslimischen Minderheit ist weiter ungewiss. Kürzlich zerstörte ein Feuer ihr Lager.
Über einen schmalen Pfad und angelegte Stufen geht es eine Anhöhe hinauf. Vorbei an Hütten aus Bambus und Plastikplanen zwischen Bananenpflanzen und tropischen Bäumen. Nach ein paar Metern ist die Erde schwarz von Ascheresten. Eine Plastiktonne ist halb zerschmolzen, der Rest eines Baumstammes ragt verkohlt in den Himmel. Dort wo, einmal die Hütten standen, sind nur noch Eckpfeiler aus Beton zu sehen. Überall laufen Kinder herum, die meisten barfuß. Von einer Moschee dringt Gesang herüber.
Auch Nour Ayesha hat ihre Hütte durch den Brand verloren. Jetzt hat sie sich auf der betonierten Fläche von etwa zwei mal drei Metern einen Verschlag aus verschiedenen Planen gebaut. Das Feuer habe sie im Schlaf überrascht, erzählt die 28-Jährige. Nur sich selbst habe sie retten können.
Während sie spricht, zieht sie ihr orangenes Kopftuch vor's Gesicht: "Ich wünsche mir, dass die Lagerverwaltung mein Haus wieder aufbaut und dass ich hier wieder richtig leben kann." Die junge Frau ist alleine im Lager, ihr Mann lebt in Bhasan Char, auf einer abgelegenen Insel vor der Küste von Bangladesch. Dorthin sind inzwischen etwa 30.000 Rohingya gebracht worden.
Brände und Kriminalität im Lager
In dem riesigen Lager in der Nähe von Cox’s Bazar kommt es immer wieder zu Bränden. Gaskocher oder Brandstifter von rivalisierenden Banden? Die lokalen Behörden ermitteln. Nach Angaben der Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks in Cox’s Bazar, Shari Nijman, breiten sich Feuer im Lager, gerade in der Trockenzeit, schnell aus. Freiwillige und geschulte Helfer hätten das Schlimmste verhindert. Das Flüchtlingshilfswerk plane den Wiederaufbau.
Bei dem Feuer im Lager in der Nähe von Cox’s Bazar brannten 900 Hütten nieder.
Das Ziel sei es, Hütten zu errichten, die widerstandsfähig seien gegen Zyklone, Überschwemmungen oder eben Brände. Aus besserem Material wie Stahl oder Beton. Doch dafür hätten sie bisher nicht die Genehmigung von der Regierung von Bangladesch bekommen. Und deshalb werden sie wohl wieder mit Bambus und Planen bauen. Neben den Unterkünften, der Wasserversorgung und genügend Essen machen sich die Rohingya laut der UN-Sprecherin vor allem Sorgen um ihre Sicherheit. Die Kriminalität im Lager habe im vergangenen Jahr stark zugenommen.
Dabei gehe es vor allem um Entführungen, Raubüberfälle, körperliche Übergriffe und im schlimmsten Fall sogar um Mord, erklärt die UN-Sprecherin. Die Behörden seien aufgefordert worden, "für wirksame, koordinierte Patrouillen durch die Polizei zu sorgen, damit die Sicherheit der Flüchtlinge gewährleistet ist".
Etwa die Hälfte der Flüchtlinge sind Kinder
Die Hälfte von den etwa eine Million Rohingya im Lager sind Kinder. Eine 15-Jährige sagt, sie habe große Angst gehabt bei dem Feuer. Der Sprecher der Hilfsorganisation "Save the children", Shahidul Haque, ist oft hier: "Die Kinder erzählen uns immer, dass sie Angst vor Feuer und anderen Gefahren haben, vor bewaffneten Gruppen - und dass sie vor allem spielen wollen. Dafür gebe es jedoch nur sehr wenig Platz und keinen sicheren Ort.
Richtige Schulen gibt es nicht im Lager. Die meisten Kinder gehen in Lernzentren von Hilfsorganisationen wie "Save the Children" zum Unterricht. Allerdings geht der Unterricht dort nur bis zur achten Klasse. Höhere Bildung bleibt ihnen verwehrt. Die neunjährige Noursafa träumt davon, Ingenieurin zu werden: "Ich lese und schreibe gerne, ich lerne gerne."
Nach dem Brand sind nur noch die Betonpfeiler der Hütten zu sehen.
Essen reicht oft nicht, häusliche Gewalt nimmt zu
Seit dem großen Brand bekommt die 28 Jahre alte Nour Ayesha eine warme Mahlzeit am Tag vom Welternährungsprogramm, bis sie wieder einen Gaskocher hat und selbst kochen kann. An alle anderen verteilt das Welternährungsprogramm im Lager Essensrationen. Nach Kürzungen im vergangenen Jahr sind sie seit Anfang Januar dank genügend Spenden wieder gestiegen, auf zehn Dollar pro Monat pro Person: es gibt besonders nahrhaften Reis, Öl, Linsen und Zwiebeln. Kinder und ältere Menschen haben auch Zugang zu Gemüse, Obst, Fisch oder Hühnchen.
Doch nach Angaben von Emmanuela Mashayo vom Welternährungsprogramm reichen die Rationen für viele nicht bis zum Ende des Monats. Häusliche Gewalt nehme zu. Einige Familien müssten sich Essen oder Geld leihen.
Die Kinder werden immer früher verheiratet, Menschen nutzen illegale und gefährliche Mittel, um in andere Länder zu flüchten, und auch Prostitution nimmt zu. Es gibt viele Dinge, zu denen die Menschen gezwungen werden, wenn sie nicht genug zu essen haben.
Zum Überleben braucht man Essen und ein Dach über dem Kopf. Jalal Ahmed hockt unter einem Verschlag auf einer Liege. Die Feuerwehr des Lagers und Freiwillige hätten vier Stunden gebraucht, um den Brand zu löschen. Er konnte Decken organisieren, gegen die Kälte nachts. Es sei unmöglich, unter freiem Himmel zu schlafen. Er wisse nicht, wie die Flüchtlinge um Hilfe bitten könnten: "Aber wir brauchen Hilfe."
In Bangladesch sei es für die Rohingya zu gefährlich, ihre Zukunft unsicher. Jalal Ahmed hofft, dass sie irgendwann in ihre Heimat Myanmar zurückkehren können. Doch wann ist völlig unklar.
In einer früheren Version hieß es, die Kinder in den Lernzentren würden in ihrer Muttersprache Burmesisch unterrichtet. Zwar findet der Unterricht auf Burmesisch statt, die Muttersprache der Kinder ist aber Rohingya. Wir haben den Fehler korrigiert.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen