Rohingya-Umsiedlung Eine Insel für 850.000 Menschen
Bangladeschs Regierung bringt Tausende Rohingya auf eine Insel im Golf von Bengalen - niemand werde gezwungen, heißt es. Doch weder Reporter noch Hilfsorganisationen dürfen die Geflüchteten begleiten.
"Wir haben uns nicht registrieren lassen für eine Rückkehr. Ich habe einfach Angst. Mein Bruder wurde von der Armee ermordet. Sie haben unsere Häuser niedergebrannt", erzählt die 27-jährige Suriya Begum. Sie floh vor zwei Jahren mit ihrer Familie aus Myanmar.
Jetzt lebt sie im wohl größten Flüchtlingslager der Welt mit mehr als 850.000 Menschen - doch ob sie dort bleiben kann, steht nicht fest. Bangladeschs Regierung hat mit der Umsiedelung der muslimischen Rohingya begonnen, die seit 2017 aus dem buddhistisch geprägten Nachbarstaat Myanmar kamen, weil sie dort verfolgt, vergewaltigt und getötet wurden - die Vereinten Nationen (UN) sprechen von ethnischen Säuberungen.
Niemand werde gezwungen, heißt es
Nun werden die Menschen auf eine abgelegene Insel im Golf von Bengalen gebracht. Sie liegt 34 Kilometer vom Festland entfernt, mitten im Meer. Schiffe der Armee bringen derzeit 3000 Menschen dorthin. Die Überfahrt dauert drei Stunden.
Rohingya auf einer Fähre der Marine von Bangladesch, die sie auf die Insel Bhashan Char Island bringen soll (Foto vom 29.01.2021).
Offiziell heißt es, niemand werde gezwungen. Die UN aber stellen diese Freiwilligkeit in Frage - und auch, ob die Rohingya wüssten, was sie erwartet.
"Was haben wir für eine Wahl? Wie lange können wir noch in den überfüllten Flüchtlingslagern leben?", fragt resigniert Mohammed Ibrahim. Er ist auf dem Weg zur Insel. Ein Reporter der britischen Nachrichtenagentur Reuters konnte mit dem 25-Jährigen lediglich telefonieren. Internationale Medien erhalten keine Genehmigung, die Flüchtlinge zu begleiten.
UN erhalten keinen Zugang zur Insel
Auch UN-Mitarbeiter bekommen keinen Zugang zur Insel. Bangladeschs Premierministerin Sheikh Hasina Wajed hatte zwar immer wieder betont, sie wolle die UN einzubeziehen, bevor die endgültige Entscheidung zur Umsiedlung fiele. Doch das geschah nicht.
Infrastruktur und Unterkünfte für 100.000 Menschen sollen bereits auf der Insel gebaut worden sein. Der Golf von Bengalen wird regelmäßig von Zyklonen heimgesucht. Bangladeschs Regierung weist aber alle Bedenken zurück, dass der steigende Meeresspiegel den neuen Bewohnern eines Tages zum Verhängnis werden könnte: Es seien Schutzwälle und spezielle Schutzzentren errichtet worden.
Menschenrechtsorganisationen fordern Umsiedlungsstopp
Die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty International fordern von Bangladesch, das Umsiedlungsprogramm zu stoppen. Fragt man bei der internationalen Hilfsorganisation Save the Children nach, hat sich die Lage in dem riesigen Flüchtlingslager auf dem Festland wegen der Pandemie dramatisch verschlechtert.
Manche Nachbarn des Flüchtlingslagers sehen vermeintliche Privilegien der Rohingya und beschweren sich über zunehmende Kriminalität. Die lokalen Behörden versuchen zu vermitteln: Sie sagen, die übergroße Mehrheit der Flüchtlinge halte sich an die Gesetze.
Laut Onno van Manen von Save The Children leiden vor allem die Kinder: Die Rohingya dürften nicht arbeiten, ihre Kinder erhielten keine Schulbildung, Mädchen würden verstärkt in Kinderehen gezwungen. Das gemeinsame Bildungsprojekt von Save the Children und UNICEF ist durch die Corona-Pandemie gestoppt. Die Rohingya aber sind völlig von Hilfsorganisationen abhängig.