Nach Flugzeugabsturz Kreml bestreitet Verwicklung in Prigoschin-Fall
Bislang hielt sich Moskau bedeckt, nun dementierte Kreml-Sprecher Peskow eine Beteiligung am mutmaßlichen Tod von Wagner-Chef Prigoschin. Derartige Behauptungen seien "eine absolute Lüge". Auch aus Kiew kam ein Dementi.
Der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin hat Anschuldigungen über eine Verwicklung des Kremls in den mutmaßlichen Tod des Söldnerführers Jewgeni Prigoschin zurückgewiesen. "Das ist eine absolute Lüge", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau. Zudem habe Putin Prigoschin in jüngster Zeit nicht mehr persönlich getroffen, so Peskow weiter.
Rund um den Flugzeugabsturz gebe es viele Spekulationen, die "im Westen aus einer bestimmten Ecke befeuert" würden, wurde Peskow von russischen Nachrichtenagenturen zitiert. Auch der Kreml habe noch keine Bestätigung für den Tod Prigoschins. Peskow riet, die Ergebnisse der Untersuchungen abzuwarten, wie es auch Putin am Vorabend gesagt habe. "Wenn die offiziellen Ergebnisse zur Veröffentlichung bereit sind, werden sie auch veröffentlicht."
Gefragt, ob Putin an einem Begräbnis Prigoschins teilnehmen würde, sagte Peskow, das sei unmöglich zu sagen. Putin habe einen "sehr vollen Terminkalender", fügte er hinzu. Zur Zukunft der von Prigoschin geführten Wagner-Söldner sagte Peskow, die Existenz der Gruppe habe keine rechtliche Grundlage. Allerdings habe Wagner einen großen Beitrag geleistet für die militärische Operation in der Ukraine, die Kämpfer der Söldner-Gruppe hätten "Heldentum" an den Tag gelegt.
Trümmer wurden abtransportiert
Inzwischen sind die Trümmer der abgestürzten Maschine zu Untersuchungen abtransportiert worden. Das meldete die staatliche Nachrichtenagentur Ria von der Unfallstelle im Gebiet Twer. Ein Video der Agentur zeigte, wie ein großes Wrackteil verhüllt auf einem Lastwagen weggefahren wurde.
Die Teile würden in eine Fahrzeugreparaturwerkstatt der Armee gebracht, berichtete die kremlnahe Zeitung "Iswestija". Auf dem Telegram-Kanal des russischen Militärbloggers Rybar zeigte ein Video, wie eine Tragfläche des Geschäftsfliegers aus einem dichten Waldstück gezogen wird.
US-Geheimdienst sieht absichtliche Explosion als Ursache
Aus einer vorläufigen Einschätzung des US-Geheimdiensts geht hervor, dass das Flugzeug mit einer absichtlich herbeigeführten Explosion zum Absturz gebracht wurde. Eine Gewährsperson sagte, die Explosion passe zu Putins Bemühungen, "seine Kritiker zum Schweigen zu bringen".
Die Vermutung, dass das Flugzeug infolge eines Raketenangriff abstürzte, wies die US-Regierung zurück. Man habe "keine Informationen, die nahelegen, dass es eine Boden-Luft-Rakete gab", sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder, bei einer Pressekonferenz im Pentagon. Berichte über eine Rakete seien "falsch". Es sei allerdings wahrscheinlich, dass Prigoschin bei dem Absturz getötet wurde.
Bundesregierung: Keine Erkenntnisse zu Prigoschin
Der Bundesregierung liegen nach Angaben eines Sprechers keine eigenen Erkenntnisse über den mutmaßlichen Tod Prigoschins vor. Man habe die Berichterstattung zur Kenntnis genommen, sagte der Sprecher in Berlin und fügte hinzu: "Besonders überraschend wäre ein gewaltsames Ende Prigoschins nicht."
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts ergänzte, es handele sich zunächst um "eine innerrussische Angelegenheit". Er wies aber darauf hin, dass bereits einige Oppositionelle in Russland gewaltsam zu Tode gekommen seien. "Insofern ist da ein Muster zu erkennen." Rückschlüsse auf das Schicksal Prigoschins könnten aber noch nicht gezogen werden.
Putin bestätigt indirekt Tod Prigoschins
Der Kreml-Chef hat den mutmaßlichen Tod Prigoschins inzwischen zumindest indirekt bestätigt. In einer im Fernsehen übertragenen Sitzung kondolierte Putin Prigoschins Familie und sprach in der Vergangenheitsform: "Er war ein Mensch mit einem komplizierten Schicksal, und er hat schwere Fehler gemacht." Zugleich habe der Geschäftsmann und Söldnerchef Ergebnisse erzielt - für sich wie für die gemeinsame Sache, sagte Putin.
Am Tag nach dem Absturz des Privatjets mehrten sich Spekulationen zur Ursache. Der Vorsitzende der kremltreuen Partei Gerechtes Russland nannte ein mögliches Attentat als möglichen Grund für den Absturz der Maschine. "Prigoschin hat sich mit zu vielen Leuten angelegt - in Russland, der Ukraine und im Westen", schrieb Sergej Mironow in seinem Telegram-Kanal. "Es scheint jetzt, dass die Zahl seiner Feinde irgendwann einen kritischen Punkt erreicht hat."
Selenskyj weist Beteiligung zurück
Indes wies der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Beteiligung der Ukraine von sich. "Wir haben mit dieser Situation nichts zu tun, das ist sicher", sagte Selenskyj. "Jeder weiß, wen das betrifft", ergänzte er offenkundig mit Blick auf Putin. "Es gibt ein Gericht in Den Haag, es gibt ein Gericht Gottes", sagte Selenskyj. "Aber Russland hat ein eigenes Gericht - Präsident Putin."
Das Flugzeug war am Mittwochabend in der Region Twer nahe des Ortes Kuschenkino abgestürzt. Nach Angaben des Katastrophenschutzministeriums überlebte keiner der zehn Insassen. Die russische Luftfahrtbehörde Rosawiatsija bestätigte zeitgleich, dass sich Prigoschin an Bord des Flugzeugs befunden habe. Es war auf dem Weg von Moskau nach St. Petersburg. Die Behörden gaben den Tod des Söldnerchefs jedoch nicht formell bekannt, weil die Leichen noch nicht identifiziert wurden.
Lukaschenko: Habe Prigoschin gewarnt
Der belarusische Präsident Alexander Lukaschenko hat nach eigener Darstellung den russischen Söldnerchef Prigoschin gewarnt. Jedoch habe Prigoschin die Warnungen zwei Mal in den Wind geschlagen, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Belta Lukaschenko. Das erste Mal sei im Juni während des Marsches der Wagner-Söldner auf Moskau gewesen. "Zur Hölle damit - ich werde sterben", habe Prigoschin erwidert.
Beim zweiten Mal habe er neben Prigoschin auch dem Mitgründer von Wagner, Dmitri Utkin, gesagt: "Jungs - passt auf." Wann dies genau geschah, ging aus der Belta-Meldung nicht hervor. Putin habe mit dem Absturz des Flugzeugs nichts zu tun, erklärte Lukaschenko. "Ich kenne Putin: Er ist berechnend, sehr ruhig, sogar zögerlich", sagte Lukaschenko. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Putin es getan hat, dass Putin schuld ist. Das Vorgehen ist einfach zu grob und unprofessionell."
Wagner-Kämpfer sollen in Belarus bleiben
Lukaschenko ist ein enger Verbündeter des russischen Präsidenten und war gleichzeitig ein langjähriger Bekannter von Prigoschin. Er soll während des Wagner-Austands im Juni Prigoschin dazu gebracht haben, den Marsch auf Moskau abzubrechen. Kurz danach erklärte Lukaschenko, er habe Putin davon überzeugt, Prigoschin nicht "auszulöschen". Die Einzelheiten des Deals sind unklar geblieben, viele Wagner-Söldner gingen jedoch nach dem Aufstand nach Belarus.
Nun erklärte Lukaschenko, die Kämpfer würden in seinem Land bleiben. "Wagner hat gelebt, Wagner lebt und Wagner wird in Belarus leben", sagte Lukaschenko. Der Kern der Einheit werde bleiben. "Solange wir diese Einheit brauchen, werden sie bei uns leben und arbeiten."