Umstrittene Parlamentswahl Wird Bangladesch zum Ein-Parteien-Staat?
Die größte Oppositionspartei will die Parlamentswahl in Bangladesch boykottieren. Premierministerin Sheikh Hasina hat Tausende Oppositionelle verhaften lassen. Ein Politikexperte meint, das Ergebnis der Wahl stehe längst fest.
Die Zeit läuft bis zum Wahltag. Im Hinterhof des Gebäudes der nationalen Wahlkommission von Bangladesch in Dhaka sägen und hämmern Schreiner Zahirul Islam Apon und seine Kollegen an den letzten Dekorationen aus Holz. Am Sonntagabend soll hier das Wahlergebnis verkündet werden. Der Schreiner hofft auf einen friedlichen Wahltag: "Das vorherrschende Symbol ist das Boot. Das Boot wird gewinnen, das hat die größte Chance."
Das Boot ist das Symbol der Regierungspartei, der Awami-Liga. Überall in der Hauptstadt hängen vor allem ihre Wahlplakate mit dem Porträt von einer älteren Frau mit Kopftuch: Premierministerin Sheikh Hasina. Sie führt das muslimische Bangladesch mit seinen mehr als 170 Millionen Einwohnern seit drei Amtsperioden - mittlerweile seit 15 Jahren. Und jetzt sieht es nach einer erneuten Amtszeit für die 76-Jährige aus. Denn der Wahlkampf war vor allem auf sie zugeschnitten.
Premierministerin Sheikh Hasina gilt als Favoritin bei der Wahl.
Eine Bilanz mit Licht und Schatten
Im Dezember ließ sich die charismatische Politikerin vor einem heiligen muslimischen Schrein von ihren Anhängern feiern. Auch an diesem Tag trug sie einen ihrer markanten schillernden Saris. Vor Reportern erklärte sie mit Blick auf die Wahl: "Wenn die Menschen in Bangladesch ihre Stimme für das Boot abgeben und es uns gelingt, erneut die Regierung zu bilden, werden wir das ganze Land entwickeln und zu Wohlstand bringen."
Sheikh Hasina hat in Bangladesch viele Infrastrukturprojekte angeschoben, Brücken und Tunnel bauen lassen. Und sie sorgte für Wachstum gerade der Textilindustrie. Gleichzeitig schwächten Pandemie und Ukraine-Krieg das Land, es ist immer wieder auf internationale Hilfsgelder angewiesen. Zuletzt machte auch die hohe Inflation vielen zu schaffen.
Anhänger loben sie für ihre guten Kontakt ins Ausland - zu unterschiedlichen Partnern wie Indien, China und den USA. Gerade die Vereinigten Staaten gelten als wichtiger Partner für das südasiatische Land - als größter Exportmarkt von Textilien. Doch genau die USA sind es, die inzwischen die Menschenrechtsverletzungen in Bangladesch laut kritisieren und die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit. Zudem warnten sie zuletzt vor nicht fairen und freien Wahlen.
Viele Oppositionelle fordern, die Wahl zu boykottieren.
Oppositionelle glauben nicht an faire Wahl
In Dhaka gingen am Freitag führende Oppositionelle und Aktivisten vor der umstrittenen Parlamentswahl auf die Straße. Die größte Oppositionspartei BNP, die Bangladesh Nationalist Party, hat zu einem Boykott der Wahl aufgerufen und zu einem Generalstreik am Wochenende. Die aktuelle Regierung könne keine faire Abstimmung gewährleisten.
Ashok Kumar Debnath von der nationalen Wahlkommission weist diesen Vorwurf entschieden zurück: "Die wichtigste Oppositionspartei nimmt nicht an der Wahl teil. Aber die Wahl an sich wird fair sein." Mehr als 200 unabhängige Beobachter aus dem Ausland würden die Wahl verfolgen. Polizei und Armee würden einen friedlichen Ablauf sicherstellen. Manche rechnen trotzdem mit Straßenprotesten der Opposition.
Experte sieht Schicksalswahl für das Land
Für den Politikexperten Ali Riaz von der amerikanischen Illinois State Universität ist die Wahl in seinem Heimatland eine Farce. Das Ergebnis stehe jetzt schon fest. "Dies wird von der Premierministerin und ihrer Partei, aber vor allem von ihr selbst vorangetrieben. Denn die Macht wurde durch verfassungskonforme und auch durch nicht verfassungskonforme Maßnahmen in den Händen der Premierministerin konzentriert", sagt er. "Bangladesch erlebt also seit 2009 zunehmend einen demokratischen Rückschritt."
20.000 Oppositionelle und Aktivisten seien inzwischen im Gefängnis. Diese Wahl werde die Zukunft des Landes entscheidend beeinflussen, ob es weiter verschiedene Parteien gebe oder Bangladesch zu einem Ein-Parteien-Staat werde.
Am Abend auf der Straße in einem Wohnviertel der Hauptstadt: Lamia ist mit ihrem Bruder unterwegs, Futter für die Katze kaufen. Die 20-Jährige wird das erste Mal wählen. "Im Moment ist die Wahlsituation nicht demokratisch, aber ich habe das Gefühl, dass ich wählen gehe und auf das Beste hoffe." In den Straßen sehe sie vor allem Poster von Sheikh Hasinas Awami-Liga.
Trotzdem ist Lamia überzeugt von der langjährigen Premierministerin. Sie habe viel erreicht und werde sich für die Jugend einsetzen, glaubt die junge Frau. Etwas weiter wartet Riksha-Fahrer Mohammad Zahidul Islam auf Kundschaft. Er verdient umgerechnet etwa fünf Euro am Tag.
"Früher gab es immer eine feierliche Stimmung vor der Wahl, die Menschen waren aufgeregt", erzählt Mohammad. "Jetzt ist es eine Ein-Parteien-Wahl geworden, und ich kenne niemanden in meiner Umgebung, der sein Wahlrecht ausüben wird." Für ihn sei es zu teuer, extra in sein Dorf zu fahren, um sich für die Wahl zu registrieren. Er hofft vor allem, dass die Lebensmittelpreise bald sinken.
Darauf hofft auch Teeverkäufer Mohammad Ratan. Er wird auf jeden Fall zur Wahl gehen und seinen Stand schließen. Er hofft, dass alle friedlich ihre Stimme abgeben können: "Jeder hat die Pflicht, sein Wahlrecht zu nutzen, also sollte man es auch tun."