Bericht über Militäranlagen Welche Pläne verfolgt Israel im Norden Gazas?
Die Lage im Norden des Gazastreifens ist katastrophal. Während Menschenrechtler vor den Zuständen warnen, berichtet die Zeitung Haaretz von einem Ausbau der militärischen Infrastruktur und Pufferzonen. Was plant Israel?
Im Gazastreifen zeichnet sich bislang kein Abzug der israelischen Truppen ab. Einer umfangreichen Recherche der israelischen Zeitung Haaretz zufolge haben die israelischen Streitkräfte im Gazastreifen offenbar Militärstraßen ausgeweitet, Außenposten ausgebaut und militärische Infrastruktur installiert. Das Medium veröffentlichte als Beleg unter anderem Satellitenaufnahmen.
Dem Bericht zufolge wurde eine rund einen Kilometer breite Pufferzone auf palästinensischem Gebiet rund um den Gazastreifen gezogen. Gebäude in den Pufferzonen stünden nicht mehr, heißt es in dem Artikel.
Militärstraßen teilen Gazastreifen offenbar in Abschnitte
Inzwischen teilten die breiten Militärstraßen den Gazastreifen in mehrere Abschnitte auf: Zunächst in das Gebiet, das die nördlichen Städte Beit Lahiya, Beit Hanoun und das Flüchtlingslager Jabalya von Gaza-Stadt abtrennt. Südlich von Gaza-Stadt teile ein weiterer etwa fünf bis sechs Kilometer breiter Korridor - Netzarim-Korridor genannt - das palästinensische Gebiet bis zur Grenze nach Ägypten.
Entlang des Netzarim-Korridors seien seit Mai dieses Jahres neue Militärposten errichtet worden. Palästinensische Häuser, Gebäude und Infrastruktur seien dort nicht mehr zu sehen.
Fernsehkorrespondent: Keine Bewohner mehr im Norden
Israelische Militärkorrespondenten, wie Noam Amir, vom Fernsehsender Channel 14, bestätigten die Veränderungen der militärischen Infrastruktur. "Wir haben entdeckt, dass ein neuer Korridor mitten in Jabalya errichtet wurde. Er teilt den Gazastreifen in zwei Teile", sagte Amir, der am 6. November im Norden des Gazastreifens war. "In dem Teil, der an der Grenze liegt, gibt es keine Bewohner mehr. Das ist vorbei."
Anfang Oktober hatte die israelische Armee erneut Panzer- und Infanterieeinheiten in den nördlichen Teil des Gazastreifens entsandt. Sie sollten bewaffnete Hamas-Verbände bekämpfen und eine Neugruppierung von Hamas-Einheiten verhindern, wie die Armee mitteilte. Seitdem ist der nördliche Teil des Küstenstreifens vom restlichen Gebiet abgetrennt.
Setzt Israel den "Plan der Generäle" um?
Verfolgt Israel den "Plan der Generäle"? Israels Militärsprecher Daniel Hagari dementierte wiederholt: Es gebe keinen sogenannten Plan der Generäle. Der Begriff beschreibt einen vermeintlichen Plan Israels, demzufolge der nördliche Teil des Gazastreifens abgetrennt werden soll. Die Menschen, die nach der zweiwöchigen Aufforderung nicht fliehen konnten oder wollten, sollen nicht mehr versorgt werden, heißt es den Plänen zufolge.
Der sogenannte Plan der Generäle bezeichnet eine Belagerungsstrategie, die der ehemalige israelische General Giora Eiland vorgeschlagen hatte. Der Plan würde die vollständige Evakuierung des nördlichen Gazastreifens erzwingen. Alle verbliebenen Zivilisten würden als potenzielle Kämpfer oder Terroristen und damit als militärische Ziele eingestuft. Der Plan sieht zudem vor, den Zugang zu Nahrungsmitteln und Medikamenten zu blockieren. Eiland erhoffte sich dadurch, Druck auf die Hamas auszuüben und eine Freilassung der israelischen Hamas-Geiseln zu erreichen.
Der Militärsprecher Hagari widerspricht dieser Darstellung. "Der 'Plan der Generäle' ist eine falsche Semantik. Es ist ein Fehler, das so zu nennen. Wir führen keinen 'Plan der Generäle' aus", erklärte er. "Wir haben unsere eigenen Pläne. Pläne der Armee, die nichts mit den von Ihnen genannten Plänen zu tun haben." Das seien natürlich Pläne, die mit internationalem Recht vereinbar seien, betonte der Sprecher.
Ben-Gvir fordert "Motivation zur Migration"
Vom rechtsextremen Koalitionspartner des Premierministers wird Druck ausgeübt. Bezalel Smotrich, Finanzminister und Zuständiger für den Siedlungsausbau im von Israel besetzten Westjordanland, und Itamar Ben-Gvir, Minister für Öffentliche Sicherheit, verlangen eine ständige Militärpräsenz israelischer Truppen im Gazastreifen. Sie sehen diese Forderung als Vorbereitung dafür, um israelische Siedlungen wieder zu errichten - 19 Jahre nach dem Abzug Israels aus dem Gazastreifen.
Die israelische Regierung müsse dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump "den Plan zur Förderung der Migration aus dem Gazastreifen" vorlegen, sagte Ben Gvir in der vergangenen Woche im Fernsehsender Channel 14. "Das ist möglich und es stellt eine moralische Lösung dar", argumentierte der rechtsextreme Politiker. "Es ist die richtige Lösung. Es gibt so viele Menschen, die nicht dort sein wollen." Man könne sie überzeugen. "Nicht mit Gewalt - aber zur Migration kann man sie motivieren", sagte der Minister. "Das kann tatsächlich funktionieren."
Die Militärbehörde für israelische Regierungsaktivitäten in den palästinensischen Gebieten, COGAT, betonte in den vergangenen Tagen wiederholt, dass Israel in alle Teile des Gazastreifens humanitäre Hilfsgüter hineinlasse - auch in den Norden.