Ein Kind schaut aus einem zerstörten Gebäude in Deir Al-Balah im Gazastreifen

Versorgung im Gazastreifen Wie wirksam war das US-Ultimatum?

Stand: 13.11.2024 03:05 Uhr

Die US-Regierung hatte Israel eine Frist von 30 Tagen gesetzt, um die humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern. Israel habe seitdem einige Schritte unternommen - weitere Maßnahmen seien jedoch notwendig.

Deir al Balah in der Mitte des Gazastreifens, am vergangenen Wochenende: Kinder drängen sich mit leeren Töpfen und Plastikbehältern vor einer Essensausgabe. Sie warten darauf, dass sie von Mitarbeitern der Hilfsorganisation jeweils einen Schlag Linsensuppe aus einem großen Topf bekommen.

Mit ihren Kindern ist Itimad Al Qanou vor wenigen Tagen hier angekommen, geflohen zusammen mit tausenden Menschen aus dem großen Flüchtlingslager Jabaliya im Norden des Gazastreifens, wo seit fünf Wochen eine erneute Offensive der israelischen Armee gegen versprengte Hamas-Terroristen im Gange ist. Der Nachrichtenagentur Reuters sagt die Mutter: "Ich schwöre, wir wachen jeden Morgen voller Sorgen auf. Wir wünschen uns, dass es Nacht bleibt, dass wir einfach schlafen und nicht aufwachen, damit wir uns nicht fragen müssen, was wir essen oder trinken werden."

Ihr Leben sei wie ein langsamer Tod, sagt sie weiter. Die Menge an Nahrung, die ihre Kinder bekommen, werde jeden Tag weniger, und ihr Gesundheitszustand verschlechtere sich täglich. "Es gibt keine richtige Nahrung - selbst wenn sie dieses kleine Stück essen, reicht es kaum aus, um sie zu ernähren." 

 

Kaum mehr Hilfsgüter im Krisengebiet

Im Norden des Gazastreifens, in Beit Hanoun, Beit Lahiya und Jabalya, ist in den vergangenen Wochen die Versorgung mit Hilfsgütern nahezu zum Stillstand gekommen. Dort sei es, so heißt es in einem Bericht internationaler Hilfsorganisationen, trotz der ultimativen Forderungen der US-Regierung an Israel, die LKW Lieferungen mit Hilfsgütern auf mindestens 350 pro Tag zu erhöhen, "heute noch schlimmer als vor einem Monat."

Das UN-Nothilfebüro Ocha schrieb Anfang dieser Woche, dass vom Beginn der neuen Großoffensive im Norden am 6. bis Ende Oktober die israelischen Behörden keine humanitären Transporte nach Jabalya, Beit Hanoun und Beit Lahiya, den wichtigsten Städten im nördlichen Gazastreifen, ermöglicht hätten. 33 Anträge auf Zugang zu diesen Gebieten seien gestellt worden. Davon seien 27 abgelehnt und sechs behindert worden.

Bei einem Briefing des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge, UNWRA, beschrieb deren Nothilfe-Koordinatorin Louise Wateridge, die sich im Gazastreifen aufhält, die Lage mit den Worten: "Im belagerten Norden droht eine Hungersnot, wenn sie nicht schon eingetreten ist. Und während wir Zeugenaussagen von Menschen vor Ort erhalten, die um ein Stück Brot oder Wasser betteln, bleibt den Vereinten Nationen der Zugang zu diesem Gebiet verwehrt. Wir haben seit einem Monat nur sehr begrenzten Zugang zu den belagerten Gebieten im Norden." 

Israel betont Bereitschaft zur Zusammenarbeit

Vor drei Tagen, am Sonntag, beschloss das israelische Sicherheitskabinett die Anzahl der humanitären Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu erhöhen. Gestern öffnete Israel mit Kissufim einen weiteren Waren-Grenzübergang. Dies war ebenfalls eine Forderung der Biden-Regierung.

Außenminister Gideon Saar zeigte sich zuversichtlich, dass es ein Einvernehmen mit dem Weißen Haus geben werde: "Wir wollen unser Möglichstes tun, um sicherzustellen, dass es keine Hindernisse für unsere Bereitschaft geben wird. Und ich denke, dass wir vorankommen und ich bin sicher, dass wir auch mit unseren amerikanischen Freunden eine Einigung erzielen können." 

Plünderungen erschweren Hilfe

Nach Angaben von COGAT, der israelischen Koordinierungsstelle für Aktivitäten der Regierung in den palästinensischen Gebieten, kamen bislang 50 LKW pro Tag über den nördlichen Grenzübergang Erez. Im Süden, am Warengrenzübergang Kerem Shalom, seien Anfang dieser Woche täglich 117 LKW in den Gazastreifen gelassen worden. In Warenhäusern befänden sich zusätzliche Hilfslieferungen im Volumen von 700 LKW-Fuhren.

Bei der Verteilung der Hilfslieferungen, für die die Vereinten Nationen zuständig seien, würden im Süden zahlreiche LKW-Ladungen geplündert, von kriminellen Banden, die die Waren zurückhielten. Die Hamas würde diese Waren beschlagnahmen und die Händler anschließend zwingen, eine Art Steuer zu bezahlen.

Clemens Verenkotte, ARD Tel Aviv, tagesschau, 12.11.2024 23:56 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 13. November 2024 um 07:39 Uhr.