Möglicher Abzug aus dem Philadelphi-Korridor Der Eiertanz des Benjamin Netanyahu
Israels Premier Netanyahu will die Armee nicht aus dem Philadelphi-Korridor an der Grenze zwischen Gazastreifen und Ägypten abziehen. Das erschwert die Einigung mit der Hamas auf eine Waffenruhe erheblich.
Jüngst konnte die internationale Presse in Israel mal wieder Benjamin Netanyahu vor einer Karte sehen: Israel reichte hier vom Mittelmeer bis zum Jordan, das Westjordanland war nicht eingezeichnet. Er hatte einen Stock in der Hand, mit dem er auf den Gazastreifen zeigte, über die Bedrohung von dort sprach und betonte, warum es aus seiner Sicht wichtig ist, dass Israel die Grenze zwischen Gaza und Ägypten, den sogenannten Philadelphi-Korridor, kontrolliert.
"Man braucht etwas, um Druck auf sie auszuüben, damit die restlichen Geiseln freikommen", so der israelische Premierminister. Deshalb müsse man den Philadelphi-Korridor kontrollieren. Das Problem ist nur: Der Grenzstreifen zwischen Gaza und Ägypten ist der größte Streitpunkt bei den Verhandlungen über einen Deal hin zu einer Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Terrororganisation Hamas. Netanyahu wird vorgeworfen, die Kontrolle über den Philadelphi-Korridor als zusätzliche Forderung aufgebracht zu haben und damit einen Deal zu verhindern.
Israelische Truppen haben den Philadelphi-Korridor zwischen dem Gazastreifen und Ägypten besetzt.
So sieht es nicht nur Verteidigungsminister Yoav Gallant, sondern auch Benny Gantz, einer der Oppositionsführer, der bis vor ein paar Monaten noch Teil des Kriegskabinetts war: "Er hat der Bevölkerung nicht ins Gesicht geschaut und nicht die Wahrheit gesagt: Nämlich dass er die Geiseln nicht lebend zurückbringen wird, dass er die Evakuierten aus dem Norden nicht zurück in ihre Häuser bringen wird, dass er den Iran nicht aufhalten wird, nukleare Waffen zu besitzen. Mich hat das nicht überrascht."
Denn in der Zeit, in der Gantz gemeinsam mit Netanyahu im Kriegskabinett gesessen habe, sei der Premier fortlaufend damit beschäftigt gewesen, Fortschritte auf dem Weg zu einem Abkommen zur Befreiung der Geiseln aufzuhalten.
Oppositionspolitiker sieht doppeltes Spiel des Premiers
Andere sehen eher ein doppeltes Spiel - und sie haben ein paar Argumente auf ihrer Seite. So lehnte Netanyahu schon zuvor öffentlichkeitswirksam einen Abzug aus dem Philadelphi-Korridor ab. Nur wenige Stunden zuvor aber war David Barnea, der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, in seinem Auftrag nach Doha geflogen, wohl um eine Bereitschaft zum Rückzug zu übermitteln.
So deutet es Yair Golan, ein linker Oppositionspolitiker, im Israel Radio: "David Barnea hat von Netanyahu die Genehmigung, zu sagen, dass wir bereit sind, den Philadelphi-Korridor in der zweiten Phase zu verlassen. Der Netanyahu, der sich nicht gerne mit dem Sicherheitsapparat auseinandersetzt, erteilte die Genehmigung. Und der andere Netanyahu hat dann genau diese Sachen in einer Pressekonferenz verboten."
Wohlgemerkt: Der Abzug soll nach dieser Lesart erst nach der ersten Phase, einer sechswöchigen Feuerpause, passieren. Ob diese erste Phase jemals kommt, ist offen - ganz zu schweigen von der zweiten, in der in Gaza ein Waffenstillstand herrschen soll.
Hofft Israels Premier auf einen Wahlsieg Trumps?
Inzwischen, so heißt es, arbeiten die USA an einem letzten Vorschlag für einen Deal, nach dem Motto "friss oder stirb". David Meidan, der früher beim israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad war, sagte dem Sender 103fm, es gehe für Netanyahu bei dieser Frage nicht nur um Innenpolitik, sondern am Ende auch um die strategisch wichtige Unterstützung aus den USA nach der Präsidentenwahl:
"Trump ist seine Rettungsleine. Netanyahu weiß sehr gut, dass es mit den Demokraten schwierig wird, deswegen setzt er auch alles auf Trump. All seine Entscheidungen sind davon beeinflusst. Das heißt: Er wird nichts unternehmen, was Kamala Harris zu einem Sieg verhelfen kann." Wenn er einem Deal zustimme, wäre das gut für die Demokraten. Also halte er die Dinge auf, so Meidan. "Wer weiß, vielleicht begeht er damit den Fehler seines Lebens, nicht unseres Lebens aber seines Lebens bestimmt."
Netanyahu: Deal mit Abzug aus Korridor wäre tödlich
Nach außen zeigte sich Netanyahu bei seinem Pressestatement vor der Karte hart. Es gebe den Vorwurf, wenn die israelische Armee am Philadelphi-Korridor bleibe, würde das den Deal "killen". Er sei der Meinung, so ein Deal sei tödlich für Israel, das werde es nicht geben, so der Premier.
Nach außen Härte, im Hintergrund ein wenig Flexibilität. Ob das die Chance zu einem Durchbruch bei den Verhandlungen bietet, ist ungewiss. Sicher ist, dass die Verhandlungen dadurch immer weiter in die Länge gezogen werden.