Krieg im Nahen Osten Beispielloser Großangriff des Iran auf Israel
Trotz internationaler Warnungen hat der Iran seinen Erzfeind Israel mit mehr als 300 Kampfdrohnen und Raketen angegriffen. Die meisten konnten abgefangen werden. Irans Revolutionsgarden sprachen von einer Strafe für Israel.
Der Iran hat seine Drohung wahr gemacht und Israel in der Nacht mit Drohnen und Raketen angegriffen. In etlichen Orten wurde Luftalarm ausgelöst, darunter in Jerusalem und im Süden Israels. In der Folge waren auch Explosionen zu hören. Nach Angaben der israelischen Armee feuerte der Iran mehr als 300 Drohnen und Raketen ab. An verschiedenen Orten in Israel wurde Raketenalarm ausgelöst. Nach Angaben der Armee heulten die Warnsirenen unter anderem im Süden, am Toten Meer, im Großraum Jerusalem sowie im Norden des Landes.
Israels Militär konnte nach eigenen Angaben "99 Prozent" der Geschosse aus dem Iran abfangen. "Die iranische Bedrohung ist auf die israelische Überlegenheit in der Luft und im technologischen Bereich getroffen", sagte Israels Armeesprecher Daniel Hagari und verwies auf eine "starke, kämpferische Koalition, die gemeinsam den Großteil der Bedrohungen abgefangen hat".
Hagari dankte unter anderem Frankreich für Hilfe bei der Abwehr des Angriffs. Frankreich verfüge über sehr gute Technologie, die zur Überwachung des Luftraums beigetragen habe.
Israels Armeesprecher sieht "strategischen Erfolg"
Von 170 unbemannten Flugkörpern, die der Iran losgeschickt habe, seien "null auf das israelische Gebiet vorgedrungen", so der Armeesprecher. Dutzende seien von israelischen Kampfjets abgeschossen worden, von der israelischen Luftabwehr sowie "der Luftwaffe und Luftabwehr unserer Partner". Hagari sprach von einem "sehr bedeutsamen strategischen Erfolg".
Auch von mehr als 30 Marschflugkörpern, die der Iran abgefeuert habe, sei keiner nach Israel eingedrungen. "Von mehr als 120 ballistischen Raketen sind nur wenige nach Israel vorgedrungen, und der Rest wurde abgefangen", sagte Hagari weiter. "Sie schlugen im Bereich der Flugbasis Nevatim ein und verursachten nur leichten Schaden an der Infrastruktur." Die Basis funktioniere normal weiter.
Nach Informationen von ARD-Korrespondent Christian Limpert sollen bei den Angriffen insgesamt 31 Menschen verletzt worden sein, darunter ein siebenjähriges Mädchen schwer.
Raketen auch aus dem Libanon, Irak und Jemen
Es war der erste direkte Angriff des Iran auf Israel. Zeitgleich wurde Israel auch aus dem Irak und von der Huthi-Miliz im Jemen attackiert. Sie hätten Israel jedoch nicht erreicht, sagte Hagari. Auch aus dem Libanon wurden Angriffe gemeldet. Die dortige Hisbollah-Miliz feuerte nach eigenen Angaben Raketen auf die israelisch besetzten Golanhöhen ab. Israel bestätigte das: Dutzende Raketen seien vom Libanon auf den Norden Israels gefeuert worden. Dabei sei laut dem Armeesprecher niemand verletzt worden.
Irans Revolutionsgarden sprechen von "Strafe"
Später in der Nacht hob die Armee einen Appell an die Bevölkerung in gewissen Teilen des Landes auf, sich für eine Flucht in die Schutzräume bereit zu halten. Zwischenzeitlich waren die Lufträume über Israel, Libanon, Jordanien und dem Irak gesperrt worden. Israel und Jordanien haben diese mittlerweile wieder geöffnet. In Syrien wurden Flugabwehrsysteme um Damaskus und auf mehreren Militärbasen aktiviert, vermutlich in Erwartung israelischer Gegenangriffe auf irantreue Kräfte. Auch in Ägypten wurde die Luftabwehr aktiviert.
Irans Revolutionsgarden sprachen von einer "Strafe" für Israel. Die Regierung in Teheran hatte Vergeltung für einen Israel zugeschriebenen Luftangriff auf seine Vertretung in Damaskus am 1. April angekündigt. Bei der Attacke wurde unter anderem ein hochrangiger Kommandeur der Revolutionsgarden getötet. Diplomatische Vertretungen sind nach internationalen Vereinbarungen von Angriffen ausgenommen. Das iranische Staatsfernsehen zitierte in der Nacht die Revolutionsgarden mit der Erklärung, die Operation "Wahres Versprechen" sei ein Teil der Strafe für "israelische Verbrechen".
Biden und Netanyahu telefonieren
Der Iran ist ein erklärter Unterstützer der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas, deren Großangriff auf Israel am 7. Oktober den Krieg im Gazastreifen ausgelöst hatte. Teheran unterstützt zudem die Huthi-Miliz im Jemen sowie die schiitische Hisbollah im Libanon. Sowohl der Iran als auch die von der EU und den USA als Terrororganisation eingestufte Hamas haben die Vernichtung Israels als Ziel ausgegeben.
Nach dem Angriff berief Israels Premierminister Benjamin Netanyahu das Kriegskabinett ein. Anschließend telefonierte er mit Joe Biden, der zuvor eine Dringlichkeitssitzung mit seinem für Sicherheitsangelegenheiten zuständigen Team abgehalten hatte. Der US-Präsident sicherte Israel seine "unerschütterliche" Unterstützung zu. Nach israelischen Medienberichten ist mit einer "erheblichen Reaktion" Israels zu rechnen.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu (Mitte) während der Sitzung des Kriegskabinetts im Kirya in Tel Aviv.
Biden kündigte für heute ein Treffen der G7-Gruppe wirtschaftsstarker Demokratien an. Er werde die Staats- und Regierungschefs der G7 zusammenrufen, "um eine gemeinsame diplomatische Reaktion auf den dreisten Angriff des Iran zu koordinieren".
Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats geplant
Auch der UN-Sicherheitsrat plant eine Sondersitzung. Israels UN-Botschafter Gilad Erdan forderte das mächtigste UN-Gremium auf, den Iran "für diese schweren Verstöße zu verurteilen" und die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation einzustufen. In einem Schreiben an den Vorsitzenden des UN-Sicherheitsrates bezeichnete Erdan den iranischen Angriff auf sein Land als "eklatante Verletzung der Souveränität Israels". Dieser Angriff sei "eine schwerwiegende und gefährliche Eskalation". Derzeit hat Malta turnusmäßig den Vorsitz im Sicherheitsrat inne.
UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich "zutiefst beunruhigt über die sehr reale Gefahr einer verheerenden Eskalation in der gesamten Region".