Iran nach den Anschlägen Die Angst des Regimes um die Macht
Der Iran hat mehrfach angekündigt, der Hamas auch kriegerisch zur Seite zu stehen. Nun spitzt eine Anschlagsserie im Land die Lage zu. Dass Teheran seinen Drohungen noch keine Taten folgen ließ, hat jedoch handfeste Gründe.
Der Druck auf den Iran scheint zu wachsen: Zweimal innerhalb von zehn Tagen sah sich die Islamische Republik als Bestimmungsort gezielter Anschläge. Erst wurde am 25. Dezember Rasi Mussawi, ein General der Revolutionswächter, in Syrien durch einen Luftangriff getötet. Der 62-Jährige galt als einer der ranghöchsten Kommandeure und Berater der für Auslandsoperationen zuständigen Al-Kuds-Brigaden.
Am 3. Januar kamen dann bei zwei schweren Explosionen im südostiranischen Kerman 84 Menschen ums Leben. Der Anschlag ereignete sich in der Nähe der Grabstätte von Ghassem Soleimani, dem ehemaligen Kommandeur der Al-Kuds-Brigaden, der auf den Tag genau vier Jahre zuvor durch einen US-Drohnenangriff im Irak umgebracht worden war.
Während beim Angriff auf General Mussawi aufgrund seiner Präzision die Urheberschaft Israels vermutet wird - das Land hat sich bislang dazu nicht geäußert -, sind die Drahtzieher der Explosionen von Kerman bislang nur schwer auszumachen. Israel gilt als unwahrscheinlich. Denn zwar gab es in den vergangenen Jahren gezielte Anschläge auf Personen und sicherheitsrelevante Einrichtungen im Iran, die dem Mossad zugeschrieben werden. Doch dabei wurde kaum je Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen - anders als in Kerman.
Dies dürfte auch die Führung in Teheran wissen, denn diese machte recht unkonkret die "Feinde Irans" für die Toten verantwortlich. Staatspräsident Ebrahim Raisi sagte: "Mit Gottes Erlaubnis wird die Hand der göttlichen Rache zur rechten Zeit und am rechten Ort erscheinen." Ob es zu einer Rache kommt und - wenn ja - zu welcher, ist jedoch offen.
Viele Ankündigungen, kaum Taten
Drohungen aus der Islamischen Republik sind immer wieder zu hören. So hatte das Mullah-Regime nach der Tötung Ghassem Soleimanis vor vier Jahren "schwere Vergeltung" in Richtung Washington angekündigt. Diese lässt aber bis heute auf sich warten.
Ähnlich verhält es sich derzeit mit Blick auf den Krieg im Gazastreifen: Teheran kündigte in den vergangenen Wochen mehrfach an, der Hamas auch kriegerisch zur Seite zu stehen. Besonders Außenminister Hossein Amir-Abdollahian unterstrich wiederholt, niemand könne garantieren, dass sich der Konflikt nicht ausweite, sollte Israel seine "Angriffe auf die wehrlose Bevölkerung des Gazastreifens fortsetzen". Bislang jedoch hat Iran seinen Worten noch keine kriegerischen Taten folgen lassen.
Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass die nach Einschätzung des "Global Firepower Index" immerhin zweitstärkste Militärmacht des Nahen Ostens in die Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas eingreift und diese zu einem zu einem regionalen Krieg ausweitet. Doch es gibt gute Gründe anzunehmen, dass sich das Mullah-Regime auch weiterhin zurückhalten wird und darauf setzt, dass andere Mitglieder der "Achse des Widerstandes" zu den Waffen greifen.
Kein Rückhalt in der Bevölkerung
Denn die innenpolitische Situation in Iran ist alles andere als gefestigt. Die Mehrheit der Bevölkerung würde die Beteiligung an einem Krieg mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mittragen. Seit der Niederschlagung der "Grünen Bewegung" nach der manipulierten Präsidentenwahl 2009 ist im Land immer wieder der Slogan "Nicht Gaza, nicht Libanon, ich opfere mein Leben für Iran" zu hören.
Hintergrund des Slogans ist, dass das Regime in Teheran zwar ausländische Verbündete wie die Hisbollah, die Huthi und die Hamas mit großen Summen sponsert - im Fall der Hamas spricht man von rund 30 Millionen Euro im Monat -, gleichzeitig aber mindestens zwei Drittel der Iraner unter der Armutsgrenze leben.
So gibt es zwar in der Islamischen Republik durchaus Empathie für die Leiden der Palästinenser, allerdings wächst stetig die Zahl derjenigen, die sich gegen einen von der Regierung alimentierten Stellvertreterkrieg zum Erhalt der eigenen Macht und Ideologie stellen - und zwar gerade, weil die eigenen Taschen leer sind.
Auf dem "Palästina-Platz" in Teheran ist ein Zelt aufgebaut, mit dem Spenden für Palästinenser gesammelt werden.
Schwache Beteiligung an Wahl erwartet
Dass der Rückhalt des Regimes von Tag zu Tag dünner wird, zeigte sich nicht nur in den monatelangen Protesten nach dem Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022, die alle Gesellschaftsschichten und Provinzen erfasste. Auch der am Dienstag vom Staatsoberhaupt erlassenen Aufruf zur Teilnahme an der Wahl zum Parlament und zum Expertenrat am 1. März spiegelt die Unsicherheit der iranischen Führung: "Wer sich gegen die Wahlen stellt, hat sich gegen die Islamische Republik, gegen den Islam gestellt," sagte Ayatollah Ali Khamenei mit drohendem Unterton, wohlwissend, dass mit einem Negativrekord bei der Wahlbeteiligung zu rechnen ist.
Immerhin hatte Mohsen Bagher-Zadeh, der Direktor des staatlichen Büros für "Maßnahmen und Lösungen von morgen", bereits Anfang Dezember davon gesprochen, dass laut Umfragen bis zu 90 Prozent der Bürger nicht wählen wollen. Kurz danach sprach auch der Reformpolitiker und Journalist Abbas Abdi von einer zu erwartenden Wahlbeteiligung von lediglich 15 Prozent.
Khamenei will seine Macht erhalten
Sollte der Iran sich trotz der höchstwahrscheinlich fehlenden Unterstützung der eigenen Bevölkerung dazu entscheiden, kriegerisch tätig zu werden, wäre dies für seine Führung mit einem hohen Risiko verbunden. Denn dann könnte die Spannkraft des Regimes überzogen werden und Kräfte, die auf einen Systemwechsel im Land hinwirken, von innen heraus gestärkt werden.
Da Revolutionsführer Khamenei aber auf nichts mehr bedacht ist, als die eigene Macht - und somit den Bestand der Islamischen Republik - zu sichern, dürfte der Iran das Risiko durch eine Beteiligung an Kriegshandlungen weiterhin meiden.