G20-Treffen in Indien Die große Modi-Show
Indien zelebriert seine G20-Präsidentschaft wie wohl bisher kein Land zuvor. Kritiker sehen darin einen Versuch der hindu-nationalistischen Modi-Regierung, den anstehenden Gipfel vor allem für sich zu nutzen.
Narendra Modi ist stolz auf Indien, und das hört man in jedem Satz: "Liebe 1,4 Milliarden Mitglieder unserer Familie, wir sind die größte Demokratie der Welt, und auch bei der Bevölkerung sind wir die Nummer eins", so begrüßte er die Menschen bei seiner Rede zum indischen Unabhängigkeitstag am 15. August.
Indien ist seit diesem Jahr wohl das einwohnerreichste Land der Erde, hat China überholt. Und überhaupt sei sein Land auf der Überholspur, so Modi mit großem Pathos: "Meine lieben Familienmitglieder, es ist sicher, dass Indiens Fähigkeiten und Möglichkeiten neue Höhen erreichen werden, und diese neue Fähigkeiten und neue Stärken sollten gefördert werden. Heute hat unser Land die Gelegenheit, Gastgeber des G20-Gipfels zu sein."
Veranstaltungen im ganzen Land
Indiens G20-Präsidentschaft wird seit ihrem Beginn im vergangenen Dezember zelebriert wie vielleicht noch keine andere Präsidentschaft davor. Manchmal scheint es, als sei das ganze Land mit dem indischen G20-Logo mit der Lotusblüte gepflastert. Überall Plakate mit dem Motto "Eine Welt, eine Familie, eine Zukunft" - und natürlich mit dem Bild eines gütig schauenden Narendra Modi. Jedes Arbeitstreffen wurde zu einem kleinen Gipfel, der G20-Zirkus erreichte fast jeden Winkel des Subkontinents.
Das sei wichtig für sein Land, sagt G20-Sherpa Amitabh Kant, der Chefunterhändler der indischen Regierung: "Wir veranstalten G20-Treffen in jedem Bundesstaat Indiens. Man muss wissen, dass Indien größer ist als die Europäische Union. Es ist ein sehr großes Land, eine lebendige Demokratie. Und anstatt die G20-Treffen in nur ein oder zwei Städten stattfinden zu lassen, machen wir das in jedem indischen Bundesstaat, in 60 Städten des Landes. Wir haben G20 überall hingebracht und haben die Bundesstaaten gebeten zu werben für ihre Kultur, ihre regionale Kunst, ihr Kunsthandwerk."
Der indische Premier Narendra Modi weiß sich in Szene zu setzen - und nutzt dazu auch die G20-Präsidentschaft.
Umgerechnet 110 Millionen Euro ist das Budget für die G20-Präsidentschaft - und damit kann man in Indien schon eine Menge machen. Das Geld sei gut investiert, sagte Premier Modi am Unabhängigkeitstag: "Die Art und Weise, wie seit dem vergangenen Jahr in jedem Winkel Indiens verschiedene G20-Veranstaltungen und -Programme organisiert wurden, hat der Welt die Fähigkeiten einfacher Menschen vor Augen geführt." Diese Veranstaltungen hätten die Vielfalt Indiens vorgestellt, so Modi. "Die Welt beobachtet mit Staunen die Vielfalt Indiens und dadurch ist auch die Anziehungskraft auf Indien gestiegen. Der Wunsch, Indien kennenzulernen und zu verstehen, wächst."
Mehr für Modi als für Indien?
Modi habe vieles richtiggemacht, sagen die, die ihn schätzen. Er habe internationale Ereignisse den Menschen in ganz Indien nähergebracht. Gleichzeit habe er Indien der Welt vorgestellt. Der Wert der G20-Präsidentschaft sei gar nicht zu überschätzen, heißt es in Modi-freundlichen Medien. Der Journalist Hartosh Singh Bal vom linksliberalen Caravan Magazine sieht das ganz anders: "Es ist eigentlich viel wichtiger für den Premierminister als für Indien selbst. Das ist viel mehr eine sorgfältig ausgeführte inländische Kampagne als eine internationale."
Für Modi gehe es vor allem darum, im Vorfeld der landesweiten Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr gut dazustehen. Doch der Gipfel könnte ein Fehlschlag werden, befürchtet Hartosh Singh Bal - nicht nur weil wichtige Staatschefs fehlen: "Ist irgendetwas Substanzielles in Sicht, was diese Präsidentschaft erreichen wird? Unwahrscheinlich. Wird es eine gemeinsame Erklärung aller Teilnehmer zur Ukraine geben? Unwahrscheinlich. Oder es werden nur Plattitüden sein. Aber er hat es geschafft, mit der Unterstützung ihm zugetaner Medien, ein überlebensgroßes Bild von sich zu erschaffen, im Inland wie auch international."
Ein begabter Selbstvermarkter
Überlebensgroß - das trifft es auf jeden Fall. Der Hindu-Nationalist Narendra Modi ist, das sagen auch seine Kritiker, ein genialer Selbstvermarkter und quasi der erste Event-Manager seines Landes. Alles, was er sagt, klingt groß, pathetisch, bedeutungsvoll: "Wir müssen einen neuen Pakt schließen, um die Träume von 1,4 Milliarden Landsleuten zu erfüllen. Wenn die indische Trikolore im Jahr 2047 gehisst wird, wird die Welt ein entwickeltes Indien loben."
Kritik an Modis Führungsstil, seinen Umgang mit der Opposition, seiner Politik gegenüber religiösen Minderheiten wie den Muslimen - all das tritt zurück, so scheint es, hinter dem Premier, der Indiens G20-Präsidentschaft anführt. G20 sei nun auch Teil des politischen Erbes des 72-Jährigen, sagt der Journalist Hartosh Singh Bal: "Viele verschiedene Bilder von Herrn Modi mit politischen Führern der G20 - die werden in den Medien immer größer und größer werden im Laufe der Zeit. Das wird alles sein, was übrigbleibt."