Palästinensische Gebiete "Red Wolf"- Israels High-Tech-Besatzung
Israel will die palästinensische Bevölkerung in den besetzten Gebieten möglichst umfassend kontrollieren. In Hebron wird dafür neueste Computertechnik eingesetzt. Menschenrechtler meinen, dies sei erst der Anfang.
Wenn man in Hebron unterwegs ist, fällt zunächst die Stille auf. 230.000 Palästinenser leben in der Stadt im südlichen, von Israel besetzen Westjordanland. Mittendrin: Rund 800 jüdische Siedler, die von etwa 3000 Soldatinnen und Soldaten bewacht werden. Um direkte Kontakte zu vermeiden, wurden einige Straßen im Zentrum "sterilisiert", wie es im Militär-Jargon heißt. Das heißt: Hier gibt es keine Geschäfte mehr, kein Leben. Palästinenser dürfen diese Straßen nicht betreten.
Identifizierung per Kamera
Und um alles zu kontrollieren, gibt es 21 Kontrollposten in Hebron. Palästinenser müssen sich ausweisen, manchmal müssen sie sich ausziehen.
Hier komme inzwischen neuste Computertechnik zum Einsatz, sagt Nadav Weiman von der israelischen Organisation "Breaking the Silence": "Wenn Palästinenser zu einem Checkpoint kommen, werden sie von den Kameras identifiziert. Und der Soldat drinnen, hinter schusssicherem Glas, mit Klimaanlage, mit einem Knopf, der die Tür öffnet, bekommt die Information über den Palästinenser. Um sein Foto herum erscheint eine Farbe. Grün: Er kann durch. Gelb: Halte ihn an, vielleicht gibt es ein Problem, ruf die Zentrale an. Und wenn es Rot ist: Festnehmen."
"Sie benutzen uns für ihre Experimente"
Issa Amro wurde schon viele Male festgenommen. Der Menschenrechtsaktivist ist in Hebron sehr bekannt, immer wieder führt er Gruppen durch die Stadt.
Er beschreibt, welche Folgen die israelische Besatzung für die Menschen hat: "Wir haben herausgefunden, dass sie hier eine besondere Technologie nutzen, um unsere Privatsphäre zu verletzen, um uns zu beobachten, zu überwachen, auszuspionieren und um über uns - ohne unser Einverständnis - Daten zu sammeln. Sie erklären uns nichts, wir können nicht sagen, ob wir das wollen oder nicht. Wir wissen, es geht nicht um Sicherheit, sondern darum, dass unser Leben noch härter wird. Für mich als Menschenrechtsaktivist und als Bürger. Sie benutzen uns für ihre Experimente."
Hunderte, vielleicht Tausende Kameras
"Red Wolf" - "Roter Wolf" heißt das Programm, mit dem die Kontrollposten ausgestattet sind. Und dann gibt es noch "Blue Wolf", eine Handy-App, mit der Soldaten Palästinenser fotografieren und Daten erfassen können. Diese Daten werden dann mit den aktuellen Aufnahmen der Kameras abgeglichen, so haben es ehemalige Soldaten beschrieben. Und von diesen Kameras gibt es in Hebron Hunderte, vielleicht Tausende.
Wir betreten das Dach einer Palästinensischen Familie. Das Militär hat hier eine moderne Kamera installiert - sie ist direkt auf das Haus von Amro gerichtet: "Ich habe nichts zu verbergen, ich bin kein Sicherheitsproblem, ich verteidige die Menschenrechte. Und ich sorge mich um meine Daten, wenn sie in falsche Hände geraten. Ich traue nicht allen Soldaten. Die Siedler, die mich angreifen, alle, die mich als jemanden sehen, der die israelische Besatzung anprangert. Die Datem sind nicht in den Händen der richtigen Leute."
Neueste Technologie macht Besatzung einfacher
Ein Bericht von Amnesty International kommt wie auch "Breaking the Silence" zu dem Ergebnis, dass Israel mit Hilfe neuester Technologie die Besatzung palästinenischer Gebiete noch effizienter macht. Zeugnisse von ehemaligen Soldaten bestätigen das, sagt Weiman: "Der Computer sagt dir, was du tun sollst und das macht die Besatzung einfacher. Es ist leichter, das, was du tust, zu überprüfen. Soldaten sagen uns: Durch diese Systeme fühlen sie sich weiter weg von der Besatzung. Wenn man eine nachhaltige, unendliche Besatzung will, nach israelischem Verständnis, dann musst du es für die Soldaten leichter machen und leichter für die Gesellschaft. Je weniger direkten Kontakt du mit Palästinensern haben kannst, umso besser ist es."
Und Hebron ist in den Augen von Menschenrechtsaktivisten erst der Anfang. Längst soll die Technologie auch schon in Ost-Jerusalem und im restlichen Westjordanland eingesetzt werden. Das Ziel: Umfassende, automatisierte Kontrolle der palästinensischen Bevölkerung. Ob die Menschen dort damit einverstanden sind? Sie wurden nicht gefragt.