Argentinien Stoppen Kongress und Gerichte Mileis Reformen?
Die neue argentinische Regierung von Präsident Milei hat radikale Umwandlungen von Wirtschaft und Verwaltung angestoßen. Allerdings muss das Reformpaket noch Kongress und Gerichte passieren. Ob das gelingt, ist ungewiss.
Um 0 Uhr am Freitagmorgen trat das Notdekret in Kraft, das Präsident Javier Milei und sein Kabinett am 20. Dezember angekündigt hatten. Bis auf weiteres sind Gesetze und Verordnungen ausgesetzt oder abgeschwächt, darunter das Mietrecht, Arbeits- und Arbeitsschutzgesetze und Beitragshöhen für Krankenversicherungen.
Ärzte müssen Generika verschreiben statt Markenmedikamente, Abfindungen werden gekürzt, Renten nicht automatisch erhöht. Streikende Arbeiter können leichter entlassen werden, Exportzölle werden abgeschafft - ein Vorgehen, das die Opposition sofort auf die Straßen trieb.
"Milei überhöht Praxis der Notdekrete"
Zwar hätten auch frühere Regierungen einige Gesetzesänderungen per Notdekret eingeführt. Sie hätten sich dabei aber stets an die verfassungsmäßige Ordnung gehalten, sagt der Anwalt und Verfassungsrechtler Andres Gil Dominguez.
Was Milei nun tue, sei, die eingeführte Praxis der Notdekrete "zu überhöhen". Er versuche auf diese Weise, den Kongress zu ersetzen und eine versteckte Verfassungsreform durchzuführen, ohne das in der Verfassung festgelegte Verfahren zu durchlaufen, mit dem diese geändert werden könnte.
Das Dekret wird seit Freitag im Kongress verhandelt, der es ablehnen könnte. Falls sich dafür in der stark polarisierten Parteienlandschaft keine Mehrheit findet, geht es in den Senat. Sollte sich auch dort keine Mehrheit dagegen finden, wird ein Vermittlungsausschuss eingesetzt. Das alles kann bis Ende Januar dauern.
"Die beste Chance, das Dekret zu stoppen, ist die Justiz"
Der Politikwissenschaftler Juan Negri hält die Chancen, dass das Notdekret Bestand hat, für begrenzt: "Ich glaube, dass Milei eine Lähmung des Gesetzgebers ausnutzt", sagt er. Der Vermittlungsausschuss für Dekrete sei noch nicht eingesetzt und in der Legislative herrsche große Verwirrung.
Milei habe sie überrumpelt, sagt Negri. Er glaube, die beste Chance, das Dekret zu stoppen, sei die Justiz. Neben anderen hat auch das einflussreiche Menschenrechtszentrum CELS Klage beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht.
Die Demokratie in Argentinien sieht Negri durch das Vorpreschen von Mileis Regierung aber nicht in Gefahr. "Argentinien ist in sich widersprüchlich. Ich denke, wir haben eine ziemlich solide Demokratie." Sie sei aber in ihrer Zivilgesellschaft, ihren sozialen Gruppen, sozialen Bewegungen und Interessensgruppen solide, jedoch nicht in den eher institutionellen Kontrollmechanismen. Insgesamt halte er eine autoritäre Entwicklung in Argentinien heute "für ziemlich unwahrscheinlich", sagt Negri.
Wie viele Menschen beteiligen sich am Generalstreik?
Unterdessen kündigte die größte Gewerkschaft des Landes, CGT, einen Generalstreik für den 24. Januar an. Dies sei legal, erklärt Verfassungsrechtler Andres Gil Dominguez: Es gebe das Recht auf Streik als Teil der kollektiven Verteidigung der Arbeitnehmerrechte. Erlaubt seien Arbeitsniederlegungen oder Streiks, die begrenzt oder allgemein sein dürften, solange bestimmte grundlegende Dienstleistungen weiter gewährleistet würden.
Zwar sei im Januar das ganze Land in den Sommerferien, dennoch erwarte er eine starke Teilnahme an dem Generalstreik, sagt Dominguez. Offen bleibt, ob das in Kraft getretene Notdekret erste Wirkungen zeigen wird, oder ob das ganze Land die politischen und juristischen Entscheidungen darüber abwartet.