Wagner-Chef in Erklärungsnot Welchen "Opa" hat Prigoschin wirklich beschimpft?
Als Chef der Söldnergruppe Wagner teilt Prigoschin immer wieder gegen die russische Armeespitze aus. Doch mit einem Video bringt er sich erstmals in Bedrängnis. Hat er Präsident Putin beschimpft?
Jewgeni Prigoschin produziert als Chef seines Militärunternehmens Wagner seit Wochen Schlagzeilen: Mit "Freiwilligen", zum Teil in russischen Gefängnissen rekrutiert, kämpft er neben der russischen Armee im ukrainischen Bachmut - und teilt in Videos zunehmend offen gegen die russische Armeeführung aus.
In seinem jüngsten Video ging Prigoschin noch einen Schritt weiter und musste sich selbst erklären:
Heute ist eine der Einheiten des Verteidigungsministeriums von einer unserer Flanken geflohen, hat ihre Stellungen verlassen. Alle sind geflohen und haben die Front auf fast zwei Kilometern Breite und 500 Meter Tiefe entblößt.
Verbale Attacken gegen Schoigu und Gerassimow
Was Prigoschin da von der Front bei Bachmut berichtete, könnte ihm im heutigen Russland leicht eine Anklage wegen Diskreditierung der Armee und viele Jahre Lagerhaft einbringen.
Nur gilt der 61-jährige Chef des Militärunternehmens Wagner als Putin-Vertrauter. Offenbar ungestraft prangert er immer wieder die Unfähigkeit der russischen Armeespitze an - insbesondere von Verteidigungsminister Sergej Schoigu und seinem Generalstabschef Waleri Gerassimow.
Vor einer Woche ließ er sich vor einem Berg getöteter Wagner-Kämpfer filmen. Deren Blut sei noch frisch, behauptete Prigoschin, und schimpfte dann derart unflätig, dass sein eigener Pressedienst die Tonspur bearbeitete. "Jetzt hört mir zu: Uns fehlen 70 Prozent Munition. Gerassimow, Schoigu, her mit der Munition!", forderte der Wagner-Chef.
Unnötig hohe Opferzahlen habe die Söldnergruppe zu beklagen. Die genaue Zahl ist allerdings geheim.
"Was, wenn der glückliche Opa ein Arschloch ist?"
Vergangene Woche stellte Prigoschin dann ein Ultimatum: Die Wagner-Truppe ziehe am 10. Mai aus Bachmut ab. Was er zurücknahm, als seiner Drohung die Garantie der Verteidigungsministeriums folgte, jetzt umfassend zu liefern. Doch Prigoschin war immer noch unzufrieden. In einem ausführlichen Video schien er nun auch Präsident Wladimir Putin direkt anzugreifen.
"Die Industrie stellt Munition her, aber anstatt sie den Truppen zu übergeben, wird sie in irgendwelchen Lagerhäusern gesammelt. Wofür?", fragte der Wagner-Chef. Keiner wisse das.
Statt Granaten auszugeben, den Feind zu töten und das Leben unseres Soldaten zu retten, töten sie unsere Soldaten, und der glückliche Opa denkt, dass es ihm gut geht.
"Wenn sich herausstellt, dass er Recht hat, segne uns Gott", erzählt der Putin-Vertraute weiter.
Aber was soll das Land tun, unsere Kinder, Enkel. Und wie soll man den Krieg gewinnen, wenn sich zufällig herausstellen sollte - nur eine Vermutung - dass dieser Opa ein komplettes Arschloch ist?
Frankreich will Wagner auf EU-Terrorliste setzen
Es verging fast ein Tag mit Vermutungen und Anfragen. Zwar ist der brutal agierende Chef des privaten Militärunternehmens im Krieg gegen die Ukraine offenbar von großem Nutzen, aber mit diesem persönlichen Angriff oder vielleicht der Demonstration eigener politischer Ambitionen wäre er zu weit gegangen.
Prigoschin dementierte heute. "Ich habe über den Opa im Zusammenhang mit der Tatsache gesprochen, dass man uns keine Munition gibt und sie in Lagerhäusern lässt", sagte er. "Wer kann der Opa sein? Möglichkeit eins: Misinzew, der entlassen wurde, weil er uns Granaten gegeben hat, und das jetzt nicht mehr tun kann. Oder Generalstabschef Waleri Gerassimow, der uns Munition geben sollte, die wir aber nicht erhalten."
Generaloberst Michail Misinzew war im April als stellvertretender Verteidigungsminister entlassen worden. Er soll im Anschluss umgehend von Prigoschin als Vizekommandeur der Wagner-Truppe eingestellt worden sein.
Weit wichtiger als die "Opa-Frage" waren heute diese Meldungen zu Prigoschins Militärunternehmen: Großbritannien will Wagner formell als Terrororganisation einstufen und das französische Parlament verlangt, Wagner auf die Terrorliste der EU zu setzen.